SdG 05 - Der Tag des Sehers
Körper übrig war, lag irgendwo draußen auf dem Todesstreifen jenseits der Stadtmauer.
Grantl senkte seine Schwerter, lehnte den Kopf gegen die staubige Mauer und schloss die Augen.
Er konnte Kampflärm im Westen hören. Die Grauen Schwerter waren in jene Richtung geritten, auf der Suche nach Dujek. Die Schwarzen Moranth waren wieder über dem äußersten westlichen Drittel der Stadt unterwegs; sie schienen sich auf ein ganz bestimmtes Gebiet zu konzentrieren, stürzten sich in kleinen Gruppen in die Straßen hinab, als nähmen sie an einem verzweifelten Verteidigungskampf teil. Das helle Krachen von Fetzern hallte von den Hauswänden wider.
Näher bei ihnen – oder genauer, direkt gegenüber von Grantl und dem, was noch von seiner Legion übrig war, hatte ein Knaller ein großes Mietshaus erwischt. Das Gebäude war kurz davor zusammenzubrechen, stand in hellen Flammen. Die Leichen von pannionischen Soldaten lagen inmitten des Gerölls und der Trümmer auf der Straße.
Und, sich langsam einen Weg durch die Festung bahnend, Mondbrut, die ihre Dunkelheit in die Stadt strömen ließ, der Pfad der Zerstörung, ein Chor der Vernichtung.
Er hielt die Augen geschlossen.
Stiefel knirschten über Geröll, dann stupste einer davon ihn am Oberschenkel an.
»He, du faules Schwein!«
Das Todbringende Schwert seufzte. »Stonny – «
»Dieser Kampf ist noch nicht vorbei.«
Er öffnete die Augen, starrte zu ihr hoch. »Doch. Korall ist gefallen – ha, nein, es fällt. Und ist der Sieg nicht süß? Wo bist du gewesen?«
Die staubverkrustete, verschwitzte Frau zuckte die Schultern, warf einen Blick auf das Rapier in ihrer Hand. »Hier und dort. Hab getan, was ich konnte, was nicht besonders viel war. Motts Irreguläre sind hier, hast du das gewusst? Wie haben sie das bloß geschafft, im Namen des Vermummten? Verdammt will ich sein, wenn sie nicht da waren, hinter dem Tor, als wir – die Grauen Schwerter und ich – aufgetaucht sind … und dabei dachten wir, wir wären die Ersten.«
»Stonny – «
Die unnatürliche Dunkelheit wurde plötzlich noch tiefer.
Mondbrut hatte sich in einer letzten Wolke aus einstürzenden Wänden von der Festung gelöst. Noch immer in Schräglage, während Wasser und Stücke aus schwarzem Fels von ihr herabregneten, kam sie näher, ein paar Mannshöhen über den Gebäuden der Stadt, füllte den Himmel aus – war jetzt fast über ihnen.
Auf dem hohen Gesims war niemand zu sehen. Große Raben flogen dicht an Mondbrut heran und rasten unter lauten, hallenden Schreien wieder davon.
»Hol uns der Abgrund«, flüsterte Stonny, »das Ding sieht aus, als könnte es jeden Augenblick runterfallen. Einfach so. Entweder als Ganzes – oder stückweise. Das Ding ist erledigt, Grantl. Erledigt.«
Dagegen gab es wenig zu sagen. Das Bauwerk sah aus, als würde es jeden Augenblick auseinanderbrechen.
Salziger Regen benetzte sein nach oben gerichtetes Gesicht, Nebel von dem fliegenden Berg, der direkt über ihnen dräute. Ganz plötzlich war es so dunkel wie in einer wolkenverhangenen Nacht, und ohne die Reflexionen der Feuer, die hier und dort in der Stadt brannten, wäre Mondbrut praktisch unsichtbar gewesen. Bei den Göttern, ich wünschte, es wäre so.
Die Kampfgeräusche im Westen verstummten überraschend plötzlich.
Sie hörten Hufgetrappel auf den Pflastersteinen. Einen Augenblick später tauchte im Zwielicht des flackernden Feuerscheins aus dem brennenden Haus gegenüber der Destriant der Grauen Schwerter auf.
Sie sah sie, ließ ihr Pferd langsamer werden, lenkte es dann zu ihnen und hielt an.
»Wir haben Hohefaust Dujek gefunden, Todbringendes Schwert. Er lebt, so wie mindestens achthundert seiner Soldaten. Die Stadt ist eingenommen. Ich werde jetzt zu unserem Bereitstellungsraum jenseits des Todesstreifens zurückkehren. Werdet Ihr mich begleiten, Todbringendes Schwert, meine Dame? Es wird eine Zusammenkunft geben …«
Ein Treffen der Überlebenden. Er blickte sich noch einmal um. Die T’lan Ay waren fort. Wären die untoten Wölfe nicht gekommen, hätten die K’Chain Che’Malle alle getötet, die sich vor der Stadt aufgehalten hatten. Vielleicht versammeln auch sie sich um den Hügel herum. Und was ist mit Itkovian? Dieser verdammte Idiot. Ob er wohl immer noch vor den T’lan Imass kniet? Lebt er überhaupt noch? Grantl seufzte, stemmte sich dann langsam hoch. Sein Blick fiel noch einmal auf die wenigen Anhänger, die ihm geblieben waren. Und all das, um fünfzig Schritt weit
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