Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Erikson
Vom Netzwerk:
in diese Stadt hineinzukommen. »In Ordnung, Destriant, wir werden Euch folgen.«
     
    Mit weit gespreizten Schwingen flog Korlat durch machtdurchströmte Luft in einer langsamen Kurve um Mondbrut herum. Noch immer hingen blutige Federn und kleine Fleischfetzen in ihren Klauen. Am Ende waren die dämonischen Kondore leicht gestorben – Beweis genug, dass der Seher entweder geflohen oder getötet worden war. Vielleicht war ihr Lord herabgestiegen und hatte Dragnipur gezogen, um die Seele des Jaghut zu nehmen. Sie würde die Wahrheit bald erfahren.
    Sie drehte den Kopf und warf ihrem Bruder, der neben ihr flog, ihre Flanke bewachte, einen Blick zu. Orfantal war verwundet, doch er wankte nicht; seine Macht und sein Wille waren noch immer vortreffliche Waffen, sollten irgendwelche Überraschungen auftauchen, um sie herauszufordern.
    Aber nichts geschah.
    Ihr Kurs trug sie hinaus, auf das Meer östlich von Korall zu, und in Sichtweite des Ozeans. Das Licht des späten Nachmittags beherrschte noch immer die Ferne.
    Und sie sah eine halbe Länge vor der Küste drei Kriegsschiffe unter Segeln in den Farben der imperialen malazanischen Marine, die am Rande der sterbenden Eisschollen dahinglitten.
    Artanthos – Tayschrenn … oh, die Pläne hinter den Plänen, die Spiele von Täuschung und Irreführung …
    Unsere Geschichte, mein verlorener Liebster, unsere Geschichte hat uns alle vernichtet.
    Sie schwangen noch weiter herum, bis sie sich wieder Korall näherten, herabsanken und sich von Mondbruts Kurs wegbewegten, die immer noch nordwärts trieb. Unter ihnen das zerschmetterte Tor. Gestalten, Fackellicht.
    Ihre Augen fanden Caladan Bruth, Soldaten der Grauen Schwerter, Barghast und andere.
    Orfantal sprach in ihrem Kopf. »Geh hinunter, Schwester. Ich bewache die Himmel. Ich, unsere Wechselgänger-Verwandten und Silanah. Sieh, Scharteke schickt sich zur Landung an. Folge ihr.«
    Ich will dich beschützen, Bruder -
    »Der Feind ist vernichtet, Korlat. Was du beschützen würdest, wenn du bei mir bliebest, ist das Herz in deinem Innern. Du würdest es vor dem Schmerz beschützen. Vor dem Verlust. Schwester, er verdient mehr. Geh jetzt hinunter. Zu trauern ist die Gabe der Lebenden – eine Gabe, die so viele von unseren Verwandten schon vor langer Zeit verloren haben. Weiche nicht zurück. Fliege hinunter, Korlat, in die Sphäre der Sterblichen.«
    Korlat zog die Schwingen an, sank in einer Spirale dem Erdboden entgegen. Ich danke dir, mein Bruder.
    Sie verwandelte sich, als sie auf dem mittelgroßen Platz landete, auf den das Nordtor sich öffnete. Ihre Ankunft hatte ein paar Soldaten gezwungen, auseinander zu laufen, wenn auch nur für einen Moment. Wieder als Tiste Andii, plötzlich schwach von der Wunde, die Bruth nur oberflächlich hatte heilen können, stolperte sie leicht, als sie sich auf den Weg zu dem Kriegsherrn machte, der dicht hinter dem Tor wartete. Scharteke hatte ihm etwas berichtet und schwang sich nun erneut in die Dunkelheit.
    Seit sie Bruth kannte, hatte sie ihn noch nie so … besiegt gesehen. Die Vorstellung des Sieges schien … unbedeutend angesichts solcher persönlichen Verluste. Für uns alle.
    Als sie näher kam, trat ein Mann an den Kriegsherrn heran. Schlank, mit hängenden Schultern, die langen hellen Haare ein verfilztes Durcheinander, das merkwürdig weit oben auf seinem Kopf saß.
    Korlat sah, wie der Mann salutierte, hörte ihn sagen: »Hochmarschall Stumpf, Kriegsherr. Motts Irreguläre. Was diesen Befehl angeht – «
    »Was für einen Befehl?«, schnappte Bruth.
    Das Lächeln des Mannes zeigte lange weiße Zähne. »Ist nicht so wichtig. Wir waren da, müsst Ihr wissen – «
    »Wo?«
    »Oh, äh, auf dieser Seite der Mauer, östlich vom Tor, und da oben waren Magier. Den Brüdern Stamm hat das nicht gefallen, deshalb sind sie ein bisschen grob mit ihnen umgegangen. Von denen atmet jetzt keiner mehr. Egal. Was sollen wir jetzt tun, Kriegsherr?«
    Caladan Bruth starrte den Mann ausdruckslos an, schüttelte dann den Kopf. »Ich habe nicht die geringste Ahnung, Hochmarschall.«
    Der Mann aus Mott nickte. »Na ja, wir könnten ein paar Feuer ausmachen …«
    »Ja, tut das.«
    »In Ordnung, Kriegsherr.«
    Korlat, die während des Gesprächs ein paar Schritte entfernt stehen geblieben war, trat jetzt vor, während der Hochmarschall davonschlenderte.
    Bruth starrte dem Mann nach.
    »Kriegsherr?«
    »Ich hatte gedacht, wir hätten sie hinter uns gelassen«, murmelte er. »Aber dann … sie waren

Weitere Kostenlose Bücher