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SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Erikson
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zerrissenen Rüstung spüren, aber erstaunlicherweise waren seine Knochen noch alle heil. Er strengte seine tränenden Augen an, um die Hügelkuppe zu erkennen, auf der er gerade eben noch gestanden hatte.
    Die Geröllhalde war verschwunden, hatte einer klaffenden, rauen Felsklippe Platz gemacht. Der größte Teil der flachen Hügelkuppe war einfach nicht mehr da, war ausgelöscht; nur ein kleines, flaches Inselchen war übrig geblieben … auf dem Elster jetzt Gestalten ausmachen konnte, die sich bewegten, aufstanden. Pferde rappelten sich auf. Schwach vernahm er das schrille, empörte Geschrei eines Maultiers.
    Nach Norden hin war eine schmale, dampfende Spalte zu sehen, die sich durch die Seite eines entfernten Tals und dann durch entfernte Hügel schnitt, ein Riss in der Erde, der unendlich tief zu sein schien.
    Elster quälte sich mühsam aus dem Geröll auf die Beine, richtete sich langsam auf.
    Er sah Caladan Bruth, reglos, den Hammer in den Händen … und vor dem Kriegsherrn stand auf einer eigenen Insel Kruppe, der sich den Staub aus den Kleidern klopfte. Der Riss, der dort entstanden war, wo der Hammer auf die Erde geprallt war, teilte sich direkt vor dem kleinen, fetten Daru und lief gleich hinter ihm wieder zusammen.
    Elster musste sich das Lachen verbeißen, denn er wusste, wie verzweifelt, wie misstönend es klingen würde. Jetzt haben wir also Bruths Zorn gesehen. Und Kruppe, dieser groteske kleine Mann, hat ihm getrotzt. Tja, wenn es jemals eines Beweises bedurft hat, dass der Daru nicht das ist, was er zu sein scheint … Er runzelte die Stirn. Das war in der Tat eine Demonstration … ich frage mich nur – für wen?
    Ein Entsetzensschrei unterbrach seine Gedankengänge.
    Korlat. Sie blickte nach Norden, und ihre Körperhaltung war irgendwie zusammengezogen und in sich selbst vertieft.
    Der Spalt füllte sich mit Blut, wie Elster jetzt sah – und in diesem Augenblick war schlagartig jede Erheiterung dahin.
    Verunreinigtes Blut, verfaultes Blut. Beru schütze uns, die Schlafende Göttin … Brand schläft den Schlaf der Sterbenden, der Vergifteten. Und dies, begriff er, war die letzte, schrecklichste Enthüllung dieses Tages. Krank … durch die verborgene Hand des Verkrüppelten Gottes.
     
    Die Mhybe riss die Augen auf. Der Wagen ruckte und rumpelte. Donner erschütterte den Boden. Von allen Seiten ertönten die Rufe der Rhivi, ein klagender Chor voller Schrecken und Bestürzung. Ihre Knochen und Muskeln schmerzten, als sie von dem Kataklysmus hin und her geschleudert wurde, aber sie würde nicht schreien. Sie wollte sich nur verstecken.
    Das Rumpeln ließ nach, wurde durch das ferne Muhen der Bhederin ersetzt und, viel näher, durch die leisen Schritte ihrer Verwandten, die an dem Wagen vorbeieilten. Die Herde war der Panik nahe, ein Massenausbruch drohte.
    Der uns alle vernichten würde. Und doch wäre es eine Gnade. Ein Ende meiner Schmerzen, meiner Albträume …
    In ihren Träumen war sie wieder jung, doch diese Träume schenkten ihr keine Freude. Fremde wanderten über die Tundra, in der sie sich stets wiederfand. Die Fremden kamen näher. Sie floh. Schoss davon wie ein Schneehase. Rannte, rannte immerzu.
    Fremde. Sie wusste nicht, was sie wollten, aber sie suchten nach ihr – das zumindest war klar. Spürten ihr nach, wie Jäger ihrer Beute. Zu schlafen hieß erschöpft und mit zitternden Gliedern aufzuwachen, während sich ihre Brust unter keuchenden Atemzügen hob und senkte.
    Sie war vor dem Abgrund gerettet worden, war davor bewahrt worden, eine der zahllosen zerfetzten Seelen zu werden, die sich in ewigem, verzweifeltem Hunger verloren. Gerettet – von einem Drachen. Wozu? Um mich an einem Ort zurückzulassen, wo ich gejagt werde, wo ich pausenlos verfolgt werde?
    Die Zeit verging. Nur gelegentlich drangen ein paar der beruhigenden Worte an ihr Ohr, mit denen die Hirten die verängstigten Bhederin beschwichtigten. Es würde keine Massenflucht geben. Noch immer durchlief ein gelegentliches Rumpeln die Erde, in verebbenden Wellen, die von immer weiter weg zu kommen schienen.
    Die Mhybe stöhnte leise auf, als der Wagen einmal mehr schwankte, dieses Mal durch die Ankunft der beiden Daru Coll und Murillio.
    »Du bist aufgewacht«, bemerkte der Ratsherr. »Na, das ist ja auch kein Wunder.«
    »Lasst mich in Ruhe«, sagte sie, zog die Felle enger um ihren zitternden Körper und wich dabei vor den beiden Männern zurück. Es ist so kalt …
    »Hast du eine Ahnung, was da vorne los gewesen

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