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SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Erikson
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Filzpolster, das sie schützte.
    Der Schild-Amboss spürte keinen Schmerz. In seinen Gedanken herrschte eine brutale Klarheit. Sein Gott war mit ihm, jetzt, in diesem letzten Augenblick. Mit ihm und mit dem tapferen, unbeugsamen Schlachtross unter ihm.
    Das Pferd – das die Pike mittlerweile herausgezogen hatte – fing sich wieder und richtete sich trotz des Blutes, das aus seiner Brust strömte, auf. Es machte einen Satz vorwärts, zermalmte Körper unter seinen Hufen und trat und trampelte und kämpfte sich einen Weg auf etwas zu, das – so unglaublich es Itkovian auch vorkam – eine freie Straße zu sein schien, eine Stelle, wo nur reglose Leichen auf ihn warteten.
    Der Schild-Amboss, der schließlich begriff, was er da sah, erneuerte seine Anstrengungen. Der Feind schmolz an allen Seiten dahin. Schreie und das Klirren von Stahl hallten wild in Itkovians Helm wider.
    Einen Augenblick später taumelte das Schlachtross aus dem Gedränge heraus, seine Hufe schlugen aus, als es sich aufbäumte – doch dieses Mal nicht vor Wut, sondern im Triumph.
    Schmerzen durchzuckten Itkovian plötzlich, als er gegen den gepanzerten Hals seines Reittiers sank. Schmerzen, die schlimmer waren als alle, die er je zuvor gespürt hatte. Die Pike steckte noch immer in seinem Kreuz, die abgebrochene Messerklinge in seinem linken Knie, das Beil in den Überresten seines zertrümmerten Schlüsselbeins. Die Zähne fest zusammengebissen, schaffte er es, das Toben seines Pferdes zu bändigen und das Tier anschließend herumzudrehen, so dass er wieder dem Friedhof zugewandt war.
    Ungläubig sah er, wie seine Grauen Schwerter sich den Weg unter den Leibern heraus freihieben, die sie begraben hatten; sie erhoben sich aus einem Grabhügel von Leichen, stumm wie Geister, sie bewegten sich ruckweise, als kämpften sie sich nach einem schrecklichen Albtraum in den Wachzustand zurück. Nur ein Dutzend waren zu sehen, doch das waren zwölf mehr, als der Schild-Amboss für möglich gehalten hätte.
    Stiefel trampelten auf Itkovian zu. Er blinzelte sich Staub und Schweiß aus den Augen und versuchte die Gestalten zu erkennen, die ihn umringten.
    Graue Schwerter. Zerrissene, blutbefleckte Waffenröcke, die jungen, blassen Gesichter capanischer Rekruten und Rekrutinnen.
    Und dann, auf einem Pferd, das dem Itkovians ebenbürtig war, das Todbringende Schwert. Brukhalian, in schwarzer Rüstung, sein schwarzes Haar eine wilde, blutverklebte Mähne, Feners heiliges Schwert in der großen, gepanzerten Hand.
    Er hatte sein Visier hochgeschoben. Seine dunklen Augen waren auf den Schild-Amboss gerichtet.
    »Meine Entschuldigung, mein Herr«, sagte Brukhalian mit grollender Stimme, als er neben ihm sein Pferd zügelte. »Für unsere Verspätung.«
    Hinter dem Todbringenden Schwert sah Itkovian jetzt Karnadas heraneilen. Sein Gesicht, verhärmt und blass wie das eines lebenden Leichnams, erschien dem Schild-Amboss trotz allem schön.
    »Destriant«, keuchte er, während er im Sattel hin und her schwankte. »Mein Pferd … meine Soldaten …«
    »Fener ist mit mir, mein Herr«, erwiderte Karnadas mit zitternder Stimme. »Und so werde ich Euch antworten.«
    Und dann wurde die Welt dunkel. Itkovian spürte plötzlich Hände an seinem Körper, als wäre er in ihre Umarmung gefallen. Noch während er darüber nachsann, trieben seine Gedanken davon – mein Pferd … meine Soldaten – und dann nichts mehr …
    Sie schlugen die dünnen Fensterläden ein, drangen durch die Räume über dem Erdgeschoss ins Innere. Sie glitten durch den Tunnel aus dicht gedrängten Leichen, der einst ein Treppenhaus gewesen war. Grantls eiserne Fänge waren stumpf und schartig. In seinen Händen waren sie zu gezackten Keulen geworden. Er hielt den Hauptgang und errichtete langsam und methodisch Barrikaden aus erkaltendem Fleisch und zerschmetterten Knochen.
    Müdigkeit schien er nicht zu kennen. Nichts ließ seine Arme schwer werden oder vernebelte seine scharfen Sinne. Seine Atemzüge blieben immer gleichmäßig, wenn auch ein wenig tiefer als normal. Auf seinen Unterarmen zeichnete sich ein merkwürdiges Muster aus Blutflecken ab, schmal und streifig, wobei das Blut immer schwärzer wurde und in seine Haut einzusickern schien. Es war ihm gleichgültig. -
    Hier und dort in der menschlichen Flut aus Tenescowri befanden sich auch Domänenser. Wahrscheinlich waren sie mehr oder weniger gegen ihren Willen einfach mitgerissen worden. Grantl machte zahllose Bettler nieder, um an sie

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