SdG 05 - Der Tag des Sehers
Die gestreiften Arme seines Anführers glänzten, die Klingen seiner Macheten waren gelblich weiß – jetzt in der Tat wie Fänge –, und er wandte dem Lestari ein wildes, katzenhaftes Gesicht zu.
»Wir geben dieses Stockwerk jetzt auf«, sagte Grantl und schüttelte das Blut von seinen Klingen.
Die zerfetzten Überreste von Domänensern umgaben den Karawanenführer. Gerüstete Krieger, die im wahrsten Sinne des Wortes in Stücke gehackt worden waren.
Der Leutnant nickte. »Hier haben wir keinen Platz mehr für taktische Bewegungen.«
Grantl zuckte die massigen Schultern. »Wir haben immer noch zwei Stockwerke über uns. Und dann das Dach.«
Ihre Blicke kreuzten sich für mehrere Herzschläge, und den Leutnant durchlief bei dem, was er in den vertikalen Schlitzen von Grantls Pupillen sah, gleichermaßen ein kalter Schauer als auch eine Woge der Wärme. Ein Mann, den man fürchten muss … ein Mann, dem man folgen muss … ein Mann, den man lieben muss. »Ihr seid Trakes Todbringendes Schwert«, sagte er.
Der riesige Daru runzelte die Stirn. »Was ist mit Stonny Menackis?«
»Sie hat nur ein paar kleine Kratzer abbekommen, Hauptmann, und hat sich auf den nächsthöheren Absatz zurückgezogen.«
»Gut.«
Schwer beladen mit Säcken voller Lebensmittel und Getränke sammelte sich die Miliz; der Befehl dazu blieb unausgesprochen, so, wie er niemals ausgesprochen worden war, wenn sie sich versammelt hatten. Mehr als zwanzig waren in diesem letzten Kampf gefallen, wie der Lestari sah. Auf jedem Stockwerk verlieren wir ungefähr genauso viele. Wenn wir das Dach erreichen, werden gerade mal zwanzig von uns übrig sein. Nun, das sollten mehr als genug sein, um eine einzige Bodenluke zu halten. Sie zu halten, bis wir in den Abgrund der Letzten Nacht stürzen.
Die schweigenden Gefolgsleute sammelten die brauchbaren Waffen und Rüstungsteile ein – größtenteils von den Domänensern. Der Lestari schaute mit stumpfen Augen zu, wie eine Capan eine gepanzerte Hand aufhob, am Handgelenk abgetrennt von einer von Grantls Macheten, und in aller Seelenruhe die Hand aus dem geschuppten Handschuh zog, den sie sich anschließend überstreifte.
Grantl stieg auf seinem Weg zum Treppenhaus über Leichen hinweg.
Es war Zeit, sich auf die nächsthöhere Ebene zurückzuziehen, Zeit, die außen liegenden Räume mit ihren schwachen Fensterläden und die Hintertreppe und die Haupttreppe zu besetzen. Zeit, dem Vermummten noch mehr Seelen in seine verstopfte, würgende Kehle zu stopfen.
Auf den Stufen schlug Grantl seine Macheten gegeneinander.
Draußen begann das Geschrei von neuem …
Brukhalian saß rittlings auf seinem gewaltigen, schweißgebadeten Schlachtross und sah zu, wie die Feldschere des Destriant einen kaum noch atmenden Itkovian in ein nah gelegenes Gebäude zogen, das für die nächsten ein, zwei Glockenschläge als Lazarett dienen würde. Karnadas selbst hatte erneut Kraft aus seinem fiebernden Denul-Gewirr gezogen und zunächst einmal den Blutstrom gestillt, der aus der Brust des Pferdes des Schild-Amboss gequollen war.
Die Kompanien des Todbringenden Schwerts halfen den überlebenden Grauen Schwertern beim Friedhof, sich aus dem Leichenberg zu befreien. Auch sie hatten Wunden, die versorgt werden mussten, aber jene, die tödlich waren, hatten ihr Werk schon vollbracht. Immer mehr Leichen wurden bei der fieberhaften Suche nach weiteren Überlebenden beiseite geschafft.
Die Feldschere, die Itkovian getragen hatten, standen nun vor der Aufgabe, die im Körper des Schild-Amboss steckenden Waffen zu entfernen – Waffen, die ihm dadurch, dass sie stecken geblieben waren, aller Wahrscheinlichkeit nach das Leben gerettet hatten. Und Karnadas würde bei diesen Eingriffen dabei sein, um das Blut zu stillen, das aus jeder Wunde quellen würde, wenn die stählerne Klinge oder Spitze herausgezogen wurde.
Der Blick aus Brukhalians ausdruckslosen, harten Augen folgte dem Destriant, während der alte Mann hinter seinen Feldschern herstolperte. Karnadas war zu weit gegangen, hatte zuviel magische Kraft aus seinem Gewirr gezogen, zu viel und zu oft. Sein Körper hatte begonnen, sich zu ergeben – und dieser Prozess war unumkehrbar. Die Gelenke seiner Arme - Ellbogen, Handgelenke, Fingerwaren mit blauen Flecken übersät. Die Venen und Arterien in seinem Körper wurden durchlässig wie Gaze, und das Blut würde nur noch stärker in die Muskeln und in jeden Hohlraum sickern. Denuls Macht zerstörte alles, wodurch sie floss
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