SdG 05 - Der Tag des Sehers
– auch den Körper des Priesters.
Er würde tot sein, das wusste Brukhalian, noch ehe die nächste Morgendämmerung anbrach.
Doch zuvor würde Itkovian geheilt werden, würde er brutal – ohne Rücksicht auf das mentale Trauma, das eine Begleiterscheinung jeder Verletzung war – zusammengeflickt werden. Der Schild-Amboss würde wieder das Kommando übernehmen, doch er würde nicht mehr der Mann sein, der er vorher gewesen war.
Das Todbringende Schwert war ein harter Mann. Das Wissen um das Schicksal seiner Freunde wurde von keinerlei Gefühlen begleitet. Es war, wie es sein musste.
Brukhalian streckte sich im Sattel und ließ den Blick über das umliegende Gelände schweifen, um die Situation einzuschätzen. Der Angriff auf die Truppenunterkünfte war zurückgeschlagen worden. Die Tenescowri waren an allen Seiten eingebrochen, und soweit er sehen konnte, stand keiner mehr auf den Beinen. Doch das war nicht überall der Fall, wie er nur zu gut wusste. Als organisierte Armee waren die Grauen Schwerter praktisch ausgelöscht worden. Zweifellos gab es noch Widerstandsnester, aber es würden nicht sehr viele sein, und noch dazu weit voneinander entfernt. Im Grunde war Capustan gefallen.
Ein berittener Bote kam aus Nordwesten herangeprescht; das Pferd sprang über die Leichenberge, die überall auf der Straße herumlagen, wurde langsamer, als es sich den Kompanien des Todbringenden Schwerts näherte.
Brukhalian winkte mit dem Schwert, und die junge Capan zügelte vor ihm ihr Pferd.
»Herr!«, keuchte sie. »Ich bringe Euch eine Botschaft von Rath’Fener! Eine Nachricht, die mir von einem Akolythen übermittelt wurde.«
»Dann lasst sie uns hören, Rekrutin.«
»Der Knecht wird angegriffen! Rath’Fener beruft sich auf den Achten Befehl von Feners Traum. Ihr sollt ihm mit Eurer Kompanie zu Hilfe kommen. Rath’Fener kniet vor den Hufen – Ihr müsst die Zwillingshauer seines und Feners Schattens sein.«
Brukhalian kniff die Augen zusammen. »Rekrutin, diesem Akolythen ist es gelungen, den Knecht zu verlassen, um die heilige Anrufung seines Priesters zu überbringen. Wie hat er das bei all den Schutzzaubern um das Gebäude geschafft?«
Die junge Frau schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht, Herr.«
»Und als Ihr durch die Stadt hierher geritten seid – seid Ihr da angegriffen worden?«
»Kein lebendes Wesen hat sich mir in den Weg gestellt, Herr.«
»Könnt Ihr Euch das erklären?«
»Nein, Herr, das kann ich nicht. Vielleicht Feners Glück …«
Brukhalian musterte sie noch einen Augenblick. »Rekrutin, werdet Ihr Euch unserer Rettungsaktion anschließen?«
Sie blinzelte, nickte dann bedächtig. »Ich wäre geehrt, Todbringendes Schwert.«
Seine Antwort war ein schroffes, kummervolles Flüstern, das ihre offensichtliche Verwunderung noch verstärkte. »Genau wie ich, Rekrutin.«
Bruhkalian klappte das Visier herunter und drehte sich zu seinen Gefolgsleuten um. »Die Elfte Mähne bleibt beim Destriant und seinen Feldschern!«, befahl er. »Was die übrigen Kompanien angeht – wir marschieren zum Knecht. Rath’Fener hat Feners Traum angerufen, und darauf müssen wir antworten.« Dann stieg er ab und übergab die Zügel seines Pferdes der Botin. »Ich habe meine Meinung geändert«, sagte er grollend. »Ihr müsst hier bleiben, Rekrutin, um auf mein Streitross aufzupassen. Außerdem müsst Ihr den Schild-Amboss von meiner Entscheidung unterrichten, sobald er erwacht.«
»Eure Entscheidung, Herr?«
»Ihr werdet sie schon bald verstehen, Rekrutin.« Das Todbringende Schwert ließ einmal mehr den Blick über seine Truppen schweifen. Sie hatten sich in Reihen aufgestellt und warteten schweigend. Vierhundert Graue Schwerter, vielleicht die letzten, die noch am Leben waren. »Soldaten, Soldatinnen«, fragte Brukhalian sie, »seid ihr bereit?«
Ein alter Offizier erwiderte mit rauer Stimme: »Wir sind bereit, es zu versuchen, Todbringendes Schwert.«
»Und was meint Ihr?«, fragte der Anführer.
»Wir müssen die halbe Stadt durchqueren, Herr. Wir werden es nicht schaffen.«
»Ihr nehmt also an, dass wir auf unserem Weg zum Knecht angegriffen werden, Nilbanas. Ja?«
Der alte Soldat runzelte die Stirn, antwortete jedoch nichts.
Brukhalian griff nach seinem Schild, der an seiner Seite in der Hand eines Adjutanten auf ihn gewartet hatte. »Ich werde uns anführen«, sagte er. »Werdet ihr mir folgen?«
Alle Soldaten und Soldatinnen nickten, und das Todbringende Schwert sah, wie sich in den halb
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