SdG 05 - Der Tag des Sehers
Persönlich.
Warum?
Einen Augenblick später war der Lord des Todes wieder verschwunden. Doch niemand rührte sich.
Es begann zu regnen. In Strömen.
Er kniete, während wässriges Blut die Rüstung befleckte, die eisernen Verbindungsringe des Kettenhemds karmesinrot glänzen ließ.
Zwei andere Augen teilten Itkovians Vision, Augen, die er gut kannte. Und in den Gedanken des Schild-Amboss wallte kalte Befriedigung auf, und in Gedanken wandte er sich an den anderen Zeugen und wusste ohne jeden Zweifel, dass dieser seine Worte hören konnte.
Ich habe dich, Rath’Fener. Du gehörst mir, Verräter. Mir.
Der Sperber glitt durch die windzerzausten Regenwolken, spürte die Tropfen wie Nägel, als sie auf seine Schwingen prasselten, seinen gespreizten Schwanz. Fahle Flammen glommen in der Stadt unter ihm inmitten der grauen, allmählich schwarz werdenden Gebäude.
Der Tag neigte sich seinem Ende zu, doch das Entsetzen ließ nicht nach. Bukes Gedanken waren wie betäubt von all dem, was er gesehen hatte, und die Distanz, die ihm seine Wechselgänger-Gestalt ermöglichte, war keine Erleichterung. Diese Augen waren zu scharf, viel zu scharf.
Direkt über dem Anwesen, in dem nun Bauchelain und Korbal Broach beheimatet waren, legte er sich hart in die Kurve. Das Tor war von einem Leichenberg verstopft. Die in erster Linie als schmückendes Beiwerk gedachten Türme an den Ecken und die Laufgänge auf den Mauern waren von stummen Wächtern besetzt, die dunkel und reglos im Regen hockten.
Korbal Broachs Armee aus wiederbelebten Leichnamen war gewachsen. Hunderte von Tenescowri hatten vor einiger Zeit das Tor durchbrochen und waren auf den Innenhof geströmt. Bauchelain hatte sie mit Wogen tödlicher Zauberei begrüßt – eine Magie, die ihr Fleisch schwärzte, es aufplatzen und sich dann in langen Streifen von ihren Knochen schälen ließ. Der Zauber hatte noch lange, nachdem sie tot waren, unerbittlich weitergewirkt, bis die Pflastersteine knöchelhoch von verkohltem Staub bedeckt waren.
Zwei weitere Versuche waren unternommen worden, jeder ein wenig verzweifelter als der vorangegangene. Doch immer wieder von Magie und der gnadenlosen Wildheit der untoten Krieger empfangen, waren die Tenescowri schließlich zurückgewichen und voller Entsetzen geflohen. Einer Kompanie Bekliten erging es später am Nachmittag keinen Deut besser. Und jetzt, als auf den Regen die Abenddämmerung folgte, befanden sich in den Straßen rund um das Anwesen nur noch Tote.
Auf allmählich ermüdenden Schwingen schwang Buke sich noch einmal höher und folgte dann der Hauptstraße des Daru-Viertels in Richtung Westen.
Ausgebrannte Mietskasernen, Rauch, der aus Schutthaufen aufstieg, das unstete Flackern von Flammen. Wimmelnde Massen von Tenescowri, riesige Freudenfeuer, über denen auf Bratspießen Menschenfleisch geröstet wurde. Umherstreifende Trupps und Kompanien von Scalandi, Bekliten und Betakliten, Urdomen und Domänensern.
Sie sind verblüfft, wütend … sie fragen sich, wo die Bürger von Capustan geblieben sind. Oh, euch gehört jetzt die Stadt, aber ihr fühlt euch dennoch betrogen.
Sein scharfes Sehvermögen schwand, als das Tageslicht verblasste. Im Südosten, durch die Regen- und Rauchschleier nur verschwommen erkennbar, erhoben sich die Türme von Fürst Jelarkans Palast. Dunkel, anscheinend unzerstört. Vielleicht hielten die Bewohner immer noch stand. Vielleicht war es aber auch nur ein weiteres lebloses Bauwerk, in dem nur noch Geister hausten. Zurückgekehrt zu dem Trost, den die Stille bot, wie es jahrhundertelang – bevor die Daru und die Capan hierher gekommen waren – gewesen war.
Als Buke den Kopf nach hinten drehte, erhaschte er aus dem Augenwinkel einen Blick auf ein einzelnes Gebäude zu seiner Linken. Es war von Feuern umgeben, doch es hatte den Anschein, als trotze das gedrungene Bauwerk den Flammen. Im Licht der umliegenden Freudenfeuer sah er rot umrandete nackte Leichen. Sie füllten die umgebenden Straßen und Gassen.
Nein, das muss ein Irrtum sein. Meine Augen täuschen mich. Diese Toten da unten liegen bestimmt auf Schuttbergen. Sie müssen auf Schuttbergen liegen. Bei den Göttern, das Erdgeschoss der Mietskaserne ist nicht zu sehen. Es ist begraben. Unter Trümmern und Schutt. Das können unmöglich alles Leichen sein, die sich so hoch stapeln … oh … beim unergründlichen Abgrund!
Es war die Mietskaserne, in der sich Grantl ein Zimmer genommen hatte.
Und obwohl die Flammen das Gebäude von
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