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SdG 05 - Der Tag des Sehers

SdG 05 - Der Tag des Sehers

Titel: SdG 05 - Der Tag des Sehers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Erikson
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von den Visieren verborgenen Gesichtern eine Erkenntnis abzuzeichnen begann, wie ihnen klar wurde, was er bereits wusste. Sie würden von dem bevorstehenden Einsatz nicht zurückkehren. Gegen manche Strömungen, das wusste er, konnte man nicht ankämpfen.
    Während er den großen, bronzebeschlagenen Schild an seinem linken Arm zurechtrückte und die Hand um das Heft seines heiligen Schwertes legte, schritt Brukhalian vorwärts. Seine Grauen Schwerter folgten ihm. Er wählte die kürzeste Route, wurde auch nicht langsamer, als es auf offene, von Leichen übersäte Plätze hinausging.
    Ein allgegenwärtiges menschliches Gemurmel war zu hören. Dazu isolierte Kampfgeräusche, brennende Häuser, die in sich zusammenstürzten, das Fauchen unkontrollierter Feuersbrünste, Straßen, die kniehoch mit Leichen übersät waren – Szenen aus der höllischen Grube des Vermummten zogen an ihnen vorbei, während sie weitermarschierten, wie zwei sich entrollende Wandbehänge, von einem verrückten Künstler mit von Qualen zerrissener Seele gemalt.
    Bis jetzt hatte sich ihnen noch niemand entgegengestellt.
    Als sie sich dem immer noch in eine Aura gehüllten Knecht näherten, beschleunigte der Veteran seine Schritte, um an Brukhalians Seite zu gelangen. »Ich habe die Worte der Botin gehört, Herr.«
    »Das ist mir wohl bewusst, Nilbanas.«
    »Sie können eigentlich nicht von Rath’Fener sein.«
    »Aber sie sind es, mein Herr.«
    »Dann betrügt uns der Priester!«
    »Ja, mein alter Freund, er betrügt uns …«
    »Er hat Feners geheimsten Traum entweiht! Bei den Hauern, Herr …«
    »Die Worte des Traums sind größer als dieser Priester, Nilbanas. Sie stammen von Fener selbst.«
    »Aber er hat sie böswillig entstellt, Herr! Das sollten wir nicht hinnehmen!«
    »Rath’Feners Verbrechen wird seine gerechte Strafe erhalten, aber nicht von uns.«
    »Um den Preis unseres Lebens?«
    »Wenn wir nicht sterben, mein Herr, würde es kein Verbrechen geben. Und somit auch keine entsprechende Bestrafung.«
    »Todbringendes Schwert – «
    »Wir sind erledigt, mein Freund. Und auf diese Weise bestimmen wir die Bedeutung unseres Todes.«
    »Aber … aber was gewinnt er dadurch? Seinen eigenen Gott zu betrügen – «
    »Nun, er rettet ohne Zweifel sein eigenes Leben«, sagte Brukhalian mit einem grimmigen, vertraulichen Lächeln. »Für eine gewisse Zeit. Sollten die Schutzzauber des Knechts überwunden und der Maskenrat überrannt werden, bleibt ihm das Grauen erspart, das auf seine Priesterkollegen und -kolleginnen wartet. Er hält das für einen guten Tausch.«
    Der Veteran schüttelte den Kopf. »Und so erlaubt Fener seinen eigenen Worten, die Bürde des Verrats auf sich zu nehmen. Wie vornehm wird seine Haltung sein, wenn er schließlich Rath’Fener in die Ecke treibt?«
    »Unser Gott wird nicht derjenige sein, der die Bestrafung durchführt, Nilbanas. Ihr habt Recht, er könnte es nicht guten Gewissens tun, denn dies ist ein Verrat, der ihn zutiefst verwundet, der ihn schwächt und verletzt – mit verhängnisvollen Konsequenzen.«
    »Aber wer wird dann unsere rächende Hand sein, Brukhalian?« Der Mann schluchzte jetzt beinahe.
    Das Lächeln des Todbringenden Schwerts wurde jetzt noch grimmiger, falls das überhaupt möglich war. »Zweifellos erlangt eben in diesem Augenblick der Schild-Amboss das Bewusstsein zurück. Und wird schon bald den Bericht der Botin hören – schon bald die Wahrheit begreifen. Nilbanas, die rächende Hand wird die Itkovians sein. Wie steht es jetzt mit Eurer Fassung, alter Freund?«
    Der Soldat schwieg ein halbes Dutzend Schritte lang. Vor ihnen lag der offene Platz vor dem Tor zum Knecht. »Ich bin beruhigt, Herr«, sagte er, und seine Stimme klang tief und zufrieden. »Ich bin beruhigt.«
    Brukhalian schlug sein Schwert gegen seinen Schild. Schwarzes Feuer floss die Klinge entlang, zischend und knisternd. »Sie haben den Platz vor uns umzingelt. Sollen wir ihn betreten?«
    »Ja, Herr, mit großer Freude.«
    Das Todbringende Schwert und seine vierhundert Gefolgsleute marschierten auf den offenen Platz; sie zögerten nicht, als sich die Mündungen der Straßen und Gassen an allen Seiten rasch mit den Elitetruppen von Septarch Kulpath füllten, mit Urdomen, Domänensern und Betakliten. Selbst bei der Straße, die sie gerade verlassen hatten, war das der Fall. Bogenschützen erschienen auf den Dächern, und Hunderte von Domänensern, die wie tot vor dem Tor zum Knecht gelegen hatten, standen auf und machten

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