SdG 06 - Der Krieg der Schwestern
werde ich bewahren, auf jeden Fall.«
Der Daru grinste. »Dann ist es also beschlossen. Ehrlitan. Komm, lass uns zum Turm zurückkehren und uns bei Hüter für seine Gastfreundschaft bedanken.«
Sie machten sich auf den Weg den Pfad entlang. »Sei versichert«, fuhr Torvald fort, »dass auch ich das Wissen um deine Freundschaft in Ehren halten werde, wenn es auch etwas ist, das mir wahrscheinlich niemand glauben wird.«
»Warum?«, fragte Karsa.
»Ich war nie sonderlich gut darin, Freunde zu finden. Bekanntschaften machen, Günstlinge anziehen und so was – das war leicht. Aber mein großes Mundwerk – «
»Schlägt mögliche Freunde in die Flucht. Ja, ich verstehe. Ziemlich gut sogar.«
»Ach, jetzt wird mir alles klar. Du willst mich auf das nächstbeste Schiff werfen, nur um mich los zu sein.«
»Nun ja«, erwiderte Karsa.
»Zusammen mit dem erbärmlichen Zustand meines Lebens ergibt das durchaus einen Sinn.«
Einen Augenblick später, als sie eine Biegung umrundeten und der Turm in Sicht kam, machte Karsa ein finsteres Gesicht. »Worte einfach nur leicht dahinzusagen ist immer noch schwierig – «
»All dieses Gerede von Freundschaft war allmählich unheimlich. Es war klug von dir, davon abzulenken.«
»Nein, denn was ich sagen wollte, ist Folgendes. Auf dem Schiff, als ich angekettet am Mast gehangen habe, warst du mein einziger Anker in dieser Welt. Ohne dich und deine pausenlosen Worte, Torvald Nom, wäre der Wahnsinn, den ich vorgetäuscht habe, wirklich Wahnsinn geworden. Ich war ein Kriegsführer der Teblor. Ich wurde gebraucht, doch ich selbst habe nie etwas gebraucht. Ich hatte Gefolgsleute, aber keine Verbündeten, und erst jetzt verstehe ich den Unterschied. Und der ist gewaltig. Ich verstehe jetzt, was es heißt, Bedauern und Trauer zu empfinden. Bairoth Gild. Delum Thord. Sogar die Rathyd, die ich schwer geschwächt habe. Wenn ich auf meinen alten Pfad zurückkehre, zurück in die Lande der Teblor, muss ich dort einige Wunden heilen. Wenn du also sagst, es ist an der Zeit, zu deiner Familie zurückzukehren, Torvald Nom, dann verstehe ich das, und mein Herz ist erfreut.«
Hüter saß auf einem dreibeinigen Hocker vor dem Eingang zum Turm. Ein großer Sack mit Schultergurten ruhte zu seinen Füßen, zusammen mit zwei zugestöpselten Kürbisflaschen, auf denen Kondenswasser glänzte. In seiner unbandagierten Hand hatte er eine kleine Tasche, die er Torvald zuwarf, als die beiden Männer herankamen.
Die Tasche klimperte, als der Daru sie auffing. Mit hochgezogenen Brauen fragte Torvald: »Was – «
»Größtenteils Silberjakatas«, sagte Hüter. »Und ein paar einheimische Münzen. Doch die sind von ziemlich großem Wert, also sei vorsichtig und zeige sie nicht rum. Die Taschendiebe von Ehrlitan haben einen legendären Ruf.«
»Hüter – «
Der Napanese wedelte mit der Hand. »Hör zu, mein Junge. Wenn ein Mann seinen eigenen Tod arrangiert, muss er gut vorausplanen. Unerkannt ein Leben in der Abgeschiedenheit zu führen ist nicht so billig, wie du dir das vielleicht vorstellst. Einen Tag, bevor ich tragischerweise ertrunken bin, habe ich Arens Schatzkammer fast leer geräumt. Nun, ihr könntet versuchen, mich zu töten und den Schatz zu finden, aber das wäre hoffnungslos. Daher dankt mir lieber für meine Großzügigkeit, und macht euch auf den Weg.«
»Eines Tages«, sagte Karsa, »werde ich hierher zurückkehren und mich erkenntlich zeigen.«
»Für die Münzen oder für die gebrochenen Rippen?«
Der Teblor lächelte nur.
Hüter lachte, dann stand er auf und verschwand in der Türöffnung. Einen Augenblick später konnten sie hören, wie er an dem Gerüst emporkletterte.
Torvald hob den Packen auf, legte sich die Riemen über die Schultern und reichte eine der Kürbisflaschen Karsa.
Dann machten sie sich auf den Weg.
Kapitel Vier
»Ist der Leichnam eines ertrunkenen Napanesen jemals wieder aufgetaucht?«
Imperatrix Laseen zu Hohemagier Tayschrenn
(nach dem Großen Verschwinden)
Das Leben der Imperatrix Laseen
Abelard
E
s gab Dörfer entlang der Küstenstraße. Gewöhnlich lagen sie auf der dem Landesinnern zugewandten Seite, als wollten ihre Bewohner nichts mit dem Meer zu schaffen haben. Einige verstreute Lehmziegel-Häuser, baufällige Pferche, Ziegen, Hunde und dunkelhäutige Gestalten, die lange, den ganzen Körper bedeckende, von der Sonne ausgebleichte Kleidung trugen. Im Schatten liegende Gesichter folgten dem Teblor und dem Daru aus Türöffnungen
Weitere Kostenlose Bücher