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SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

Titel: SdG 06 - Der Krieg der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Büscheln am Fuß der Säulen, wirkte verfilzt und ölig in der grauen, körnigen Luft.
    Als Kalam zwischen die Säulen ritt, schien das gedämpfte Hufgetrappel seines Pferdes quer über den Pfad hin und her geworfen zu werden; die Echos vervielfachten sich, so dass er schließlich das Gefühl hatte, er reite an der Spitze einer berittenen Armee. Er verlangsamte den Galopp seines Schlachtrosses, zügelte es schließlich neben einer der mitgenommenen Säulen.
    Diese stummen Wächter kamen ihm wie Eindringlinge in die Stille vor, die er gesucht hatte. Er beugte sich im Sattel zur Seite, um die Säule zu untersuchen, die ihm am nächsten war. Sie sah alt aus – auf die gleiche Weise, auf die viele Dinge im Gewirr des Schattens alt aussahen: umgeben von einer Aura der Verlassenheit, jeder Möglichkeit trotzend, ihre ehemalige Funktion zu erkennen. Es gab keine anderen Ruinen zwischen den Säulen, keine Grundmauern, keine Kellergruben, keine eckigen Löcher im Boden. Jede Säule stand für sich, ohne irgendeinen Bezug zu den anderen.
    Sein forschender Blick fiel auf einen rostigen Ring, der nahe der Basis in den Stein eingelassen war und von dem eine Kette aus eingehakten Gliedern ausging, die in den Grasbüscheln verschwand. Nach einem Augenblick stieg Kalam ab. Er hockte sich hin, streckte die Hand aus und packte die Kette. Ein leichter Ruck, und die vertrocknete Hand und der Unterarm einer unglücklichen Kreatur erhoben sich aus dem Gras. Dolchähnliche Krallen, vier Finger, zwei Daumen.
    Der Rest des Gefangenen hatte sich den Wurzeln geschlagen geben müssen, war unter bräunlicher, sandiger Erde fast begraben. Blassblonde Haare hingen zwischen den Blättern der Gräser.
    Plötzlich zuckte die Hand.
    Angeekelt ließ Kalam die Kette los. Der Arm fiel wieder zu Boden. Ein schwacher, unterirdisch klagender Laut stieg vom Fuß der Säule auf.
    Der Assassine richtete sich auf und kehrte zu seinem Pferd zurück.
    Säulen, Pfeiler, Baumstümpfe, Plattformen, Treppen, die nirgendwo hinführten – und in jedem Dutzend gab es eine, die einen Gefangenen beherbergte. Von denen anscheinend keiner sterben konnte. Zumindest nicht so richtig. Oh, ihr Verstand war schon vor langer, langer Zeit gestorben – zumindest der größte Teil davon. Sie brabbelten und wetterten vor sich hin, murmelten sinnlose Beschwörungen, baten um Vergebung, boten Geschäfte an, doch kein Einziger von ihnen hatte seine Unschuld beteuert – zumindest hatte Kalam es nie gehört.
    Als ob es ohne sie Erbarmen geben könnte. Er trieb sein Pferd erneut weiter. Diese Sphäre gefiel ihm ganz und gar nicht. Nicht, dass er in dieser Hinsicht wirklich eine Wahl gehabt hätte. Mit Göttern einen Handel abzuschließen war – für den daran beteiligten Sterblichen – eine Übung in Selbsttäuschung. Kalam hätte es lieber dem Schnellen Ben überlassen, mit den Herrschern dieses Gewirrs Spielchen zu spielen – der Magier hatte immerhin den Vorteil, dass ihm solche Herausforderungen Spaß machten … nein, es war mehr als das. Der Schnelle Ben hatte so viele Messer in so vielen Rücken hinterlassen – auch wenn keines von ihnen tödlich war, so schmerzten sie nichtsdestotrotz, wenn man an ihnen zerrte, und genau dieses Zerren liebte der Magier über alles.
    Der Assassine fragte sich, wo sein alter Freund in diesem Augenblick wohl sein mochte. Es hatte Ärger gegeben – aber das war nichts Neues –, und seither nichts als Stille. Und dann war da noch Fiedler. Der Idiot war wieder in die Armee eingetreten, beim Vermummten!
    Nun, zumindest tun sie was. Kalam hingegen tut nichts, oh, nein, Kalam doch nicht. Dreizehnhundert Kinder, aus einer Laune heraus wieder zum Leben erweckt. Leuchtende Augen, die jeder seiner Bewegungen folgten, jeden seiner Schritte erfassten, sich jede seiner Gesten einprägten – was konnte er sie lehren? Die Kunst der Verwüstung? Als ob Kinder dabei Hilfe brauchten.
    Vor ihm lag ein Hügelkamm. Er erreichte den Fuß und trieb sein Pferd in einem leichten Galopp den Hang hinauf.
    Außerdem schien Minala alles unter Kontrolle zu haben. Sie war eine geborene Tyrannin, sowohl in der Öffentlichkeit als auch ganz privat unter den Decken in der halbverfallenen Bruchbude, in der sie gemeinsam lebten. Und er hatte herausgefunden, dass Tyrannei ihm merkwüdigerweise nicht zuwider war. Im Prinzip, hieß das. Interessanterweise klappte tatsächlich so manches, wenn jemand den Befehl übernahm, der – oder die – entsprechend fähig und unerbittlich

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