SdG 06 - Der Krieg der Schwestern
irritierten, die ihm immer aufs Neue bewusst machten, dass er ein Fremder war.
Sich verletzlich zu fühlen war eine Schwäche, die Apsalar nicht mit ihm teilte. Sie schien von einer absoluten Ruhe durchdrungen, einer gewissen Ungezwungenheit, ganz egal wo sie war – das Selbstvertrauen des Gottes, der einst von ihr Besitz ergriffen hatte, hatte so etwas wie eine dauerhafte Prägung in ihrer Seele hinterlassen. Es ist nicht einfach nur Selbstvertrauen. Er dachte wieder einmal an die Nacht, als sie den Mann in Kan getötet hatte. Es ist das Wissen um tödliche Fähigkeiten – und die eisige Präzision, die notwendig ist, sie zu gebrauchen. Und schauernd erinnerte er sich daran, dass sie viele der Erinnerungen des Gottes behalten hatte, die zurück in die Zeit reichten, in der der Gott noch ein Sterblicher gewesen war, als er noch Tanzer gewesen war. Zu diesen Erinnerungen gehörten auch die an die Nacht der Attentate – als die Frau, die Imperatrix werden sollte, den Imperator niedergestreckt hatte … und auch Tanzer.
Soviel hatte sie zumindest offenbart, doch diese Offenbarung war von keinerlei Gefühlen begleitet gewesen; alles war so nebenbei erwähnt worden wie eine Bemerkung über das Wetter. Erinnerungen an zustechende Messer, an staubbedeckte Blutstropfen, die wie kleine Kügelchen über einen Fußboden rollten …
Er nahm den Topf von der Glut und warf eine Hand voll Kräuter in das dampfende Wasser.
Sie war spazieren gegangen, westwärts den weißen Strand entlang. Als die Abenddämmerung hereingebrochen war, hatte er sie aus den Augen verloren, und mittlerweile fragte er sich, ob sie wohl jemals zurückkommen würde.
Ein Holzscheit verrutschte plötzlich, Funken stoben auf. Das Meer war nun völlig dunkel und unsichtbar. Das Feuer knisterte, und so konnte er nicht einmal das Plätschern der Wellen hören, die ans Ufer schwappten. Ein kühlerer Hauch schwang in der Brise mit.
Schlitzer stand langsam auf, wirbelte dann plötzlich herum und starrte landeinwärts, als sich in der Düsternis außerhalb des Feuerscheins etwas bewegte. »Apsalar?«
Es kam keine Antwort. Ein leichtes Vibrieren unter seinen Fußsohlen, als ob der Sand erzitterte, weil etwas Großes über ihn rannte … etwas Großes, Vierbeiniges.
Der Daru zog seine Messer und trat aus dem Feuerschein.
Zehn Schritte entfernt sah er zwei glühende Augen auf gleicher Höhe mit den seinen. Sie lagen weit auseinander, waren golden und schienen unergründlich. Der Kopf und der Körper dahinter waren dunklere Flecken in der Nacht, die auf eine Masse hindeuteten, die Schlitzer frösteln machte.
»Sieh an«, sagte eine Stimme aus den Schatten zu seiner Linken, »der junge Daru. Blind hat dich gefunden, das ist gut. Und wo ist deine Gefährtin?«
Schlitzer schob langsam seine Messer zurück in die Scheiden. »Der verdammte Hund hat mich erschreckt«, murmelte er. »Und wenn er blind ist, warum starrt er mich dann so an?«
»Nun, der Name trifft in gewisser Hinsicht nicht zu. Die Hündin sieht, aber nicht so, wie wir sehen.« Eine in einen Umhang gekleidete Gestalt trat in den Feuerschein. »Kennst du mich?«
»Ihr seid Cotillion«, erwiderte Schlitzer. »Schattenthron ist viel kleiner.«
»So viel kleiner auch wieder nicht, obwohl er vielleicht, je nach Laune, manche Merkmale übertreibt.«
»Was wollt Ihr?«
»Ich wollte natürlich mit Apsalar sprechen. Hier riecht es nach Tod … hier ist erst vor kurzem jemand gestorben.«
»Rellock. Ihr Vater. Im Schlaf.«
»Wie bedauerlich.« Der Gott drehte den von einer Kapuze verhüllten Kopf, als würde er die nähere Umgebung mustern, und wandte sich dann wieder an Schlitzer. »Bin ich jetzt dein Patron?«
Er wollte mit Nein antworten. Er wollte zurückweichen, wollte vor der Frage und seiner Antwort und all dem, was sie bedeutete, fliehen. Er wollte schon bei der bloßen Andeutung Gift und Galle spucken. »Ich glaube, das könnte stimmen, Cotillion.«
»Ich bin … erfreut, Crokus.«
»Ich werde jetzt Schlitzer genannt.«
»Weit weniger subtil, aber vermutlich höchst passend. Dennoch, in deinem alten Namen lag ein Hauch von tödlichem Zauber. Bist du sicher, dass du es dir nicht noch einmal überlegen willst?«
Schlitzer zuckte die Schultern. »Crokus hatte keinen … göttlichen Patron.«
»Natürlich. Und eines Tages wird ein Mann nach Darujhistan kommen. Mit einem malazanischen Namen. Niemand wird ihn kennen, allenfalls seinen Ruf. Und er wird möglicherweise Geschichten über den
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