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SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

Titel: SdG 06 - Der Krieg der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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ich hätte einen höchst seltsamen Traum«, sagte er. »Ich habe dich gesehen, da drüben, in einiger Entfernung, mit einem großen, sich windenden Hut. Der dich dann mit einem Bissen verschlungen hat.«
    Onrack zerrte den Kadaver neben Trull Sengar. »Das war kein Traum. Hier. Iss.«
    »Könnten wir es nicht kochen?«
    Der T’lan Imass trat an die dem Meer zugewandte Kante der Mauer. Inmitten des Treibguts lagen auch die Überreste zahlloser Bäume mit kahlen Ästen. Er kletterte auf den ineinander verwobenen Abfall hinunter, spürte, wie er sich ungleichmäßig unter ihm bewegte. Es dauerte nicht lange, bis er ein Bündel leidlich trockenen Holzes abgerissen hatte, das er zurück auf die Mauer warf. Dann kletterte er hinterher.
    Er spürte die Blicke des Tiste Edur auf sich gerichtet, während er eine Feuerstelle vorbereitete.
    »Wir sind deiner Art nur selten und in großen Zeitabständen begegnet«, sagte Trull nach ein paar Herzschlägen. »Und auch nur nach eurem … Ritual. Vorher ist dein Volk vor uns geflohen, sobald es unserer ansichtig wurde. Außer denen, die mit den Thelomen Toblakai die Ozeane befahren haben, heißt das. Die haben gegen uns gekämpft. Jahrhundertelang, bis wir sie von den Meeren vertrieben haben.«
    »Die Tiste Edur waren in meiner Welt, kurz nachdem die Tiste Andii gekommen waren«, sagte Onrack, während er seinen Feuerstein hervorzog. »Einst waren sie zahlreich und haben Zeichen ihrer Anwesenheit im Schnee, an den Stränden und im tiefen Wald hinterlassen.«
    »Jetzt gibt es längst nicht mehr so viele von uns«, sagte Trull Sengar. »Wir sind von Mutter Dunkel, deren Kinder uns verbannt hatten, hierher gekommen – an diesen Ort. Wir haben nicht geglaubt, dass sie uns verfolgen würden, aber sie haben es getan. Und als dieses Gewirr zerschmettert wurde, sind wir noch einmal geflohen – in deine Welt, Onrack. Wo wir aufgeblüht sind …«
    »Bis eure Feinde euch wieder gefunden haben.«
    »Ja. Die Ersten von ihnen waren … fanatisch, voller Hass. Es hat gewaltige Kriege gegeben – niemand hat etwas von ihnen mitbekommen, denn sie wurden in der Dunkelheit geführt, an verborgenen Orten des Schattens. Am Ende haben wir alle diese ersten Andii niedergemacht, doch wir sind selbst daran zerbrochen. Und so haben wir uns an abgelegene Orte zurückgezogen, in Fluchtburgen. Dann sind noch mehr Andii gekommen, nur schienen diese … weniger an uns interessiert zu sein. Und wir unsererseits hatten uns verändert; wir haben mehr nach innen geblickt und nicht mehr danach gehungert, uns auszubreiten – «
    »Wenn ihr versucht hättet, diesen Hunger zu stillen«, sagte Onrack, während die ersten dünnen Rauchfäden von den Rindenstückchen und Zweigen aufstiegen, »hätten wir in euch einen neuen Grund gefunden, Krieg zu führen, Edur.«
    Trull schwieg, sein Blick war verschleiert. »Wir hatten das alles vergessen«, sagte er schließlich und ließ den Kopf wieder auf den hart gebackenen Lehm sinken. »All das, was ich dir gerade erzählt habe. Bis vor kurzem hat mein Volk – die letzte Bastion der Tiste Edur, wie es scheint – so gut wie nichts über unsere Vergangenheit gewusst. Unsere lange, qualvolle Vergangenheit. Und was wir gewusst haben, war in Wirklichkeit falsch. – Wenn wir doch nur weiterhin unwissend geblieben wären«, fügte er hinzu.
    Onrack drehte sich langsam um und sah den Edur an. »Dein Volk blickt nicht mehr nach innen.«
    »Ich habe gesagt, ich würde dir von deinen Feinden erzählen, Imass.«
    »Das hast du getan.«
    »Es gibt welche von deiner Art, Onrack, bei den Tiste Edur. Sie haben sich mit uns verbündet, verfolgen das gleiche Ziel.«
    »Und was ist das für ein Ziel, Trull Sengar?«
    Der Edur schaute weg, schloss die Augen. »Es ist schrecklich, Onrack. Ein schreckliches Ziel.«
    Der T’lan Imass wandte sich dem Kadaver der Kreatur zu, die er getötet hatte, und zog ein Obsidianmesser. »Ich bin mit schrecklichen Zielen vertraut«, sagte er, während er begann, das Tier zu zerlegen.
    »Ich werde dir jetzt meine Geschichte erzählen, wie ich gesagt habe. Damit du verstehst, womit du es nun zu tun hast.«
    »Nein, Trull Sengar. Erzähle mir nichts mehr.«
    »Aber warum?«
    Weil deine Geschichte mich belasten würde. Mich dazu zwingen würde, meine Verwandten zu suchen. Deine Geschichte würde mich an diese Welt ketten – würde mich noch einmal an meine Welt ketten. Und dafür bin ich noch nicht bereit. »Ich bin es müde, deine Stimme zu hören, Edur«,

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