Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

Titel: SdG 06 - Der Krieg der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
langsam um, musterte seinen Begleiter. »Dies ist euer Gewirr«, sagte er nach einem Augenblick. »Was spürst du angesichts dieser … Monumente?«
    »Nichts, aber ich weiß, was sie verkörpern sollen … genau wie du. Es scheint, als hätten die Bewohner dieser Sphäre sie zu ihren Göttern gemacht.«
    Darauf gab Onrack keine Antwort. Er wandte sich wieder der gewaltigen Statue zu, legte den Kopf in den Nacken, während sein Blick nach oben wanderte, immer weiter nach oben. Zu den funkelnden, bernsteinfarbenen Augen.
    »Da muss ein Tor sein«, beharrte Trull Sengar hinter ihm. »Eine Möglichkeit, diese Welt zu verlassen. Warum zögerst du, T’lan Imass?«
    »Ich zögere angesichts dessen, was du nicht sehen kannst«, erwiderte Onrack. »Es sind sieben, ja. Aber zwei von ihnen sind … lebendig.« Er machte eine kurze Pause und fügte dann hinzu: »Und der hier ist einer davon.«

Kapitel Sieben
     
    Eine Armee, die wartet, ist schon bald eine Armee,
    die gegen sich selbst Krieg führt.
    Kellanved
     
    D
    ie Welt war von Rot umgeben. Dem Rot von altem Blut, von Eisen, das auf einem Schlachtfeld rostet. Es bildete einen Wall wie ein auf der Seite liegender Fluss, krachte verwirrt und unsicher gegen die rauen Klippen, die sich wie Zahnstummel um den Rand der Raraku erhoben. Sie waren die ältesten Wächter der Heiligen Wüste, jene ausgebleichten Kalksteinklippen – und jetzt vergingen sie unter dem unaufhörlichen Ansturm des Wirbelwinds, der rasenden Göttin, die keinen Rivalen in ihrem Herrschaftsgebiet dulden konnte. Die in ihrer Wut die Klippen verschlingen würde.
    Während tief in ihrem Herzen die Illusion von Ruhe herrschte.
    Der alte Mann, der allgemein als Geisterhand bekannt war, kletterte langsam den Hang hinauf. Seine alternde Haut war tief bronzefarben, sein tätowiertes, grobes, breites Gesicht so zerknittert wie die sturmgepeitschten Felsen. Kleine gelbe Blumen umhüllten den Grat über ihm – es war die seltene Blütezeit jener niedrig wachsenden Wüstenpflanze, die die hiesigen Stämme Hen’bara nannten. Aus den getrockneten Blüten konnte man einen berauschenden Tee brauen, ein Trostspender gegen den Kummer, Balsam für die Schmerzen der Seele eines Sterblichen. Der alte Mann kletterte und mühte sich fast schon verzweifelt den Hang hinauf.
    Kein Lebensweg verläuft unblutig. Vergieße das Blut derjenigen, die dir den Weg verstellen. Vergieße dein eigenes. Kämpfe weiter, wate durch die zunehmende Strömung mit all dem Wahnsinn, der nichts weiter ist als die brutale Enthüllung des Selbsterhaltungstriebs. Der makabre Tanz in den zerrenden Strömungen hatte nichts mit Kunstfertigkeit zu tun, und etwas anderes vorzugeben bedeutete, einer Selbsttäuschung zu erliegen.
    Selbsttäuschungen. Heboric Leichte Hand, der ehemalige Fener-Priester, gab sich keinerlei Selbsttäuschungen mehr hin. Er hatte sie mit eigenen Händen vor langer Zeit eine nach der anderen ertränkt. Seine Hände – seine Geisterhände – hatten sich als besonders geeignet für diese Aufgabe erwiesen, denn sie flüsterten von unsichtbaren Kräften, wurden von einem geheimnisvollen, unerbittlichen Willen gelenkt. Er wusste, dass er sie nicht kontrollieren konnte und fiel daher keiner Selbsttäuschung mehr zum Opfer. Wie könnte er auch?
    Hinter ihm, in der riesigen Ebene, in der Zehntausende von Kriegern mit ihren Gefolgsleuten ihr Lager inmitten der Ruinen einer alten Stadt aufgeschlagen hatten, gab es solch klare Einsichten nicht. Die Armee verkörperte starke Hände, die im Augenblick ruhten, jedoch schon bald die Waffen erheben würden, gelenkt von einem Willen, der alles andere als unerbittlich war, einem Willen, der in Selbsttäuschungen förmlich ertrank. Heboric war nicht nur anders als alle anderen dort unten – er war das genaue Gegenteil von ihnen, ein schäbiges Spiegelbild in einem zerbrochenen Spiegel.
    Das Geschenk der Hen’bara-Pflanzen war traumloser Nachtschlaf. Der Trost des Vergessens.
    Vor Anstrengung schwer atmend, kam er oben auf dem Kamm an und setzte sich in die Blumen, um sich einen Augenblick auszuruhen. Geisterhafte Hände waren so geschickt wie normale, obwohl er sie nicht sehen konnte – nicht einmal den schwachen, bunten Schimmer, den andere sahen. Tatsächlich ließ seine Sehkraft ihn mittlerweile in jeder Hinsicht im Stich. Es war der Fluch eines alten Mannes, glaubte er, mitzuerleben, wie der Horizont von allen Seiten immer näher rückte. Immerhin – auch wenn er den Teppich aus Gelb um

Weitere Kostenlose Bücher