SdG 06 - Der Krieg der Schwestern
überlebt haben, werden sie sich in den höher gelegenen Gebieten aufhalten. Willst du noch etwas von diesem Tier braten und mitnehmen?«
»Nein. Es ist alles andere als schmackhaft.«
»Das ist nicht überraschend, Trull Sengar. Schließlich ist es ein Raubtier, das sich lange von verfaulendem Fleisch ernährt hat.«
Der Boden unter ihren Füßen war mit Feuchtigkeit voll gesogen, wie sie feststellten, als sie schließlich am Fuß der Mauer ankamen. Insektenschwärme stiegen um sie herum auf und stürzten sich, rasend vor Hunger, auf den Tiste Edur. Onrack gestattete seinem Begleiter, das Tempo vorzugeben, als sie sich den Weg zwischen den wassergefüllten Senken hindurch suchten. Die Luft war so feucht, dass ihre Kleidung klamm wurde und die Feuchtigkeit sich auf ihrer Haut niederschlug. Obwohl hier unten keinerlei Wind zu spüren war, hatten sich die Wolken über ihnen in lange, streifige Gebilde verwandelt, die dahinrasten, sie überholten, und dann weiterjagten, um sich vor der Hügelkette zusammenzuballen, wo der Himmel immer dunkler wurde.
»Wir bewegen uns genau auf ein Unwetter zu«, murmelte Sengar und wedelte mit den Armen, um die Mücken zu vertreiben.
»Wenn es losbricht, wird dieses Land überflutet werden«, stellte Onrack fest. »Kannst du schneller gehen?«
»Nein.«
»Dann werde ich dich tragen müssen.«
»Tragen oder ziehen?«
»Was würdest du vorziehen?«
»Getragen zu werden scheint mir irgendwie nicht ganz so entwürdigend.«
Onrack steckte sein Schwert in die Schlaufe des Wehrgehenks, das er über der Schulter trug. Obwohl der Krieger bei seinen eigenen Leuten als groß galt, war der Tiste Edur größer, beinahe eine Unterarmlänge. Der T’lan Imass hieß seinen Begleiter, sich mit hochgezogenen Knien auf den Boden zu setzen, dann beugte sich Onrack vor und schob einen Arm unter Trulls Knien hindurch und legte den anderen unterhalb der Schulterblätter um seinen Oberkörper. Mit knirschenden Sehnen richtete sich der Krieger auf.
»Da sind frische Furchen überall auf deinem Schädel … oder was noch davon übrig ist«, bemerkte der Tiste Edur.
Onrack sagte nichts. Er verfiel in einen gleichmäßigen Laufschritt.
Es dauerte nicht lange, und Wind kam auf. Er wehte von den Hügeln herunter und wurde bald so stark, dass der T’lan Imass sich vorbeugen musste, während er über die kiesigen Grate zwischen den Teichen stapfte.
Die Mücken wurden rasch davongeweht.
Die Hügel vor ihnen waren seltsam regelmäßig, stellte Onrack fest. Es waren insgesamt sieben, die anscheinend in einer geraden Linie angeordnet waren; alle waren von gleicher Höhe, doch unterschiedlich missgestaltet. Die Sturmwolken sammelten sich ein gutes Stück dahinter, wanden sich in aufgeblähten Säulen himmelwärts, über eine gewaltige Gebirgskette hinweg.
Der Wind heulte gegen Onracks ausgedörrtes Gesicht, riss an seinen goldblonden Strähnen, summte mit einem tiefen Brummton durch die Lederriemen seines Harnischs. Trull Sengar kauerte sich an ihn, den Kopf von dem kreischenden Sturm abgewandt.
Blitze zuckten zwischen den aufsteigenden Wolkensäulen hin und her, und es dauerte lang, ehe sie den Donner hören konnten.
Die Hügel waren gar keine Hügel. Es waren Bauwerke, gewaltig und bucklig, aus einem glatten schwarzen Stein, wobei jedes Bauwerk anscheinend aus einem einzigen Block bestand. Zwanzig oder mehr Mannslängen hoch. Hundeähnliche Tiere, mit breiten Schädeln und kleinen Ohren, kräftigen Muskeln und gesenkten Köpfen, die den beiden Reisenden zugewandt waren – und der in einiger Entfernung liegenden Mauer hinter ihnen; die riesigen Höhlen ihrer Augen schimmerten schwach in einem tiefen Bernsteinton.
Onracks Schritte wurden langsamer.
Doch er blieb nicht stehen.
Die Teiche lagen bereits ein Stück hinter ihnen, der Boden unter seinen Füßen war rutschig vom Regen, aber ansonsten fest. Der T’lan Imass änderte leicht die Richtung und marschierte auf das nächste Monument zu. Als sie näher kamen, gelangten sie in den Windschatten der Statue.
Das plötzliche Abflauen des Sturms wurde von einer tiefen Stille begleitet, der Wind zu beiden Seiten wirkte merkwürdig gedämpft und weit weg. Onrack setzte Trull Sengar auf den Boden.
Der erstaunte Blick des Tiste Edur fiel auf das Bauwerk, das sich vor ihnen erhob. Er schwieg und stand langsam auf, als Onrack an ihm vorbeischritt.
»Dahinter müsste eigentlich ein Tor liegen«, murmelte Trull leise.
Onrack blieb stehen und drehte sich
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