SdG 06 - Der Krieg der Schwestern
torkelte durch die Zeltklappe hinaus in die kalte Nachtluft, wo er würgend auf Hände und Knie sank.
Einen Augenblick später kam der Dämon aus dem Zelt, hob den Kopf, um die Luft zu prüfen, schoss in die Schatten – und war verschwunden.
In die Richtung, in der das Zelt des Hauptmanns lag.
Kalam schaffte es, die Lungen mit reinigender Luft zu füllen und ganz allmählich sein Zittern unter Kontrolle zu bekommen. »In Ordnung, mein Hündchen«, keuchte er, »ich schätze, du hast meine Gedanken gelesen.« Ein paar Herzschläge später ging er in die Hocke, griff mit angehaltenem Atem ins Zelt, um seinen Packen herauszuziehen, und taumelte dann auf die Felsenklippe zu.
Ein Blick zurück zeigte ihm, dass Dampf oder Rauch aus dem Eingang seines Zelts quoll, während ein leises Knistern aus dem Innern drang, das allmählich lauter wurde.
Bei den Göttern, wer braucht schon eine Phiole mit Tralb?
Er trottete rasch dorthin, wo noch immer das Seil von dem steinernen Balkon herunterhing.
Fauchend schossen Flammen hoch, wo eben noch sein Zelt gestanden hatte.
Das würde wohl kaum unbemerkt bleiben. Kalam zischte einen Fluch und rannte auf das Seil zu.
Rufe waren im Lager zu hören. Dann Schreie, dann noch schrillere Schreie, die alle in einem seltsamen Quieken endeten.
Der Assassine kam vor der Felswand schlitternd zum Stehen, legte beide Hände um das Seil und begann, daran hochzuklettern. Er hatte ungefähr die Hälfte der Strecke bis zu dem Balkon zurückgelegt, als die Kalksteinwand plötzlich erzitterte. Staubwolken wehten davon. Kleine Steinchen regneten von oben herunter. Und schon war eine ungeschlachte Gestalt neben ihm, die sich an den rauen, von Furchen durchzogenen Fels klammerte. Unter einem Arm klemmte Irriz, bewusstlos und in seinem Nachtgewand. Der Azalan schien die Wand förmlich hinaufzuströmen, seine Hände griffen nach geriffelten Schattenstreifen, als wären es eiserne Sprossen. Kurz darauf hatte der Dämon den Balkon erreicht, schwang sich über die Kante und war außer Sicht.
Der steinerne Sims ächzte.
Risse schlängelten sich herunter.
Kalam starrte nach oben und sah, dass der ganze Balkon absackte und sich von der Wand losriss.
Seine Mokassins schabten wild über den Fels, als er versuchte, nach einer Seite wegzukrabbeln. Und dann sah er, wie sich lange, nichtmenschliche Hände um den Rand des Simses schlossen. Das Absacken hörte auf.
W-wie im Namen des Vermummten -
Der Assassine kletterte weiter. Augenblicke später erreichte auch er den Balkon und zog sich über die Kante.
Der Azalan hatte sich voll über den Sims ausgestreckt. Zwei Hände packten den Rand. Drei andere klammerten sich an Schatten, die an der Klippe über der Tür auszumachen waren. Schatten lösten sich von dem Dämon wie Hautschichten, undeutlich an Menschen erinnernde Gestalten, die sich streckten, um den Balkon an der Wand zu halten – und die von dem gewaltigen Gewicht zerrissen wurden. Als Kalam über die Felsplatte kroch, kam von der Stelle, an der der Balkon die Wand berührte, ein knirschendes, mahlendes Geräusch – und dann sackte alles eine Handbreit nach unten.
Der Assassine warf sich der ausgesparten Türöffnung entgegen, wo er in der Düsternis ein vor Entsetzen verzerrtes Gesicht erkennen konnte, das war – der Truppmagier.
»Zurück!«, zischte Kalam. »Das ist ein Freund!«
Der Magier streckte die Arme aus und packte Kalam am Unterarm.
Noch während der Assassine in den Korridor gezogen wurde, sackte der Balkon unter ihm weg.
Beide Männer stolperten rückwärts über Irriz lang ausgestreckten Körper.
Alles erzitterte, als ein gewaltiges, dumpf dröhnendes Poltern von unten heraufdrang, das noch einige Zeit nachhallte.
Der Azalan schwang sich unter dem Türsturz hindurch ins Innere. Er grinste.
Ein kurzes Stück weiter den Korridor hinunter kauerte ein Trupp Soldaten. Sünd hatte den Arm um einen von ihnen gelegt – ihr Halbbruder, vermutete Kalam, als er sich langsam wieder aufrappelte.
Einer der Soldaten, die der Assassine bereits getroffen hatte, trat vor, schob sich an ihm und – unter größeren Schwierigkeiten – an dem Azalan vorbei bis zur Kante. Nach einem Augenblick rief er: »Alles ruhig da unten, Sergeant. Das Lager ist ein einziges Durcheinander. Ich kann niemanden sehen …«
Der andere Soldat, den Kalam ebenfalls schon kennen gelernt hatte, runzelte die Stirn. »Keinen Einzigen, Glocke?«
»Nein. Als ob sie alle davongerannt wären.«
Kalam sagte nichts,
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