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SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

Titel: SdG 06 - Der Krieg der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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aufzuhalten; so weit die Teblor sehen konnten, verliefen die Stufen im Zickzack. Die Pferde scheuten davor zurück.
    »Karsa Orlong, auf diesem Pfad werden wir sehr verwundbar sein.«
    »Das sind wir schon die ganze Zeit, Bairoth Gild. Der Tiefländer hinter uns hat die günstigste Gelegenheit längst verpasst. Aus diesem Grunde glaube ich, dass wir ihn abgehängt haben, und dass die Steine, die wir von oben herunterfallen sehen, auf einen weiteren Felsrutsch und sonst nichts hindeuten.« Und nach diesen Worten trieb Karsa Havok vorwärts, auf die erste Stufe.
    Als sie dreißig Schritt weiter unten waren, hörten sie ein schwaches Donnern von oben, ein Geräusch, deutlich tiefer als das Tosen des Flusses. Ein Steinhagel fegte in einiger Entfernung vom Klippenrand über sie hinweg. Etwas später folgte schlammiger Regen.
    Sie gingen weiter, bis die Müdigkeit in ihre Glieder kroch. Die Nebel schienen schon seit einiger Zeit etwas heller geworden zu sein, doch vielleicht hatten sich ihre Augen auch nur allmählich an das Zwielicht gewöhnt. Das Rad der Sonne und das Rad der Sterne zogen ungesehen und ohne selbst zu sehen über sie hinweg. Die einzige Möglichkeit, das Verstreichen der Zeit abzuschätzen, boten ihnen Hunger und ihre Erschöpfung. Sie würden erst Halt machen, wenn sie ganz unten angekommen waren. Karsa hatte schon längst aufgehört, die Serpentinen zu zählen; was er für tausend Schritte gehalten hatte, erwies sich als weit, weit mehr. Neben ihnen stürzte der Fluss, der jetzt nur noch aus Gischt bestand, in die Tiefe, eine zischende, bitterkalte Sintflut, die alles ausfüllte und ihnen die Sicht nahm, so dass sie weder das Tal unter ihnen noch den Himmel über ihnen sehen konnten. Ihre Welt hatte sich auf zwei Dinge verengt: die endlosen Knochen unter ihren Mokassins und die nackte Felswand.
    Sie erreichten einen weiteren Sims, und plötzlich waren die Knochen fort, begraben unter glucksendem, nassem Schlamm und wirren Büscheln leuchtend grüner Gräser. Überall lagen die moosbewachsenen Zweige umgestürzter Bäume herum. Der Nebel verbarg alles andere.
    Die Pferde warfen die Köpfe hoch, als sie endlich auf ebenen Boden geführt wurden. Delum und die Hunde hockten sich hin; die ganze Meute war ein einziger Klumpen aus nassem Fell und nasser Haut. Bairoth stolperte zu Karsa. »Kriegsführer, ich bin beunruhigt.«
    Karsa runzelte die Stirn. Seine Beine zitterten unter ihm, und er konnte nichts tun, um seine Muskeln dazu zu bringen, damit aufzuhören. »Warum, Bairoth Gild? Wir haben es geschafft. Wir sind den Knochenpass hinabgestiegen.«
    »Ja.« Bairoth hustete und sagte dann: »Und in nicht allzu langer Zeit werden wir wieder an diesen Ort kommen – um hinaufzusteigen.«
    Karsa nickte langsam. »Ich habe darüber nachgedacht, Bairoth Gild. Die Tiefländer schwärmen über unser Plateau. Es gibt andere Pässe, gleich im Süden unserer Lande, der Gebiete der Uryd – es muss welche geben, denn sonst wären die Tiefländer niemals bei uns da oben aufgetaucht. Unsere Heimreise wird uns am Steilabbruch entlang nach Westen führen, und wir werden diese verborgenen Pässe finden.«
    »Den ganzen Weg durch das Gebiet der Tiefländer? Wir sind nur zu zweit, Karsa Orlong! Ein Überfall auf das Gehöft am Silbersee ist eine Sache, aber einem ganzen Stamm den Krieg zu erklären, das ist Wahnsinn! Wir werden den ganzen Weg gejagt und verfolgt werden – das ist unmöglich zu schaffen!«
    »Gejagt und verfolgt?« Karsa lachte. »Was ist daran so neu? Komm, Bairoth Gild, wir müssen weg von diesem Fluss und einen trockenen Ort finden. Da drüben, zu unserer Linken, kann ich Baumwipfel sehen. Wir werden ein Feuer machen. Wir werden wieder wissen, wie es ist, sich warm zu fühlen und einen vollen Bauch zu haben.«
    Der Sims führte sanft eine Geröllhalde hinunter, die größtenteils unter Moosen, Flechten und fruchtbarer, dunkler Erde verborgen war; dahinter erwartete sie ein Wald aus uralten Rotholzbäumen und Zedern. Am Himmel über ihnen gab es einen kleinen Flecken Blau, und hier und da waren ein paar Sonnenstrahlen zu sehen. Sobald sie im Wald waren, wurde der Nebel dünner, wurde zu modriger Feuchtigkeit, und es roch nach verrottendem Laub. Die Krieger gingen noch ungefähr fünfzig Schritt weiter, bis sie einen Streifen Sonnenlicht fanden; eine kranke Zeder war hier schon vor einiger Zeit umgefallen. Schmetterlinge tanzten in der goldenen Luft, und auf allen Seiten umgab sie das sanfte, gleichmäßige

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