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SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

SdG 06 - Der Krieg der Schwestern

Titel: SdG 06 - Der Krieg der Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Tiefländer aber auch die Heimstatt eines Orakels – oder sogar ihres Gottes.«
    Karsa musterte seinen Kameraden mehrere Herzschläge lang, dann sagte er: »Bairoth Gild, in deinen Worten ist Gift. Diese Dämonin war keine Göttin. Sie war eine Gefangene des Steins. Die Gesichter im Fels sind wahre Götter. Das kann man überhaupt nicht vergleichen.«
    Bairoth zog die buschigen Augenbrauen hoch. »Karsa Orlong, ich vergleiche nicht. Die Tiefländer sind närrische Kreaturen, im Gegensatz zu den Teblor. Die Tiefländer sind Kinder und anfällig für Selbsttäuschungen. Warum sollten sie die Dämonin nicht angebetet haben? Sag mir, hast du eine lebende Präsenz in jener Zauberei gespürt, als sie dich getroffen hat?«
    Karsa dachte nach. »Da war … etwas. Es hat gekratzt und gespuckt und gefaucht. Ich habe es weggeschleudert, und daraufhin ist es geflohen. Dann war es also nicht die Macht der Dämonin.«
    »Nein, das war es nicht, denn sie war längst fort. Vielleicht haben sie den Stein angebetet, der sie festgehalten hat – auch in dem war Magie.«
    »Aber keine lebendige, Bairoth Gild. Ich kann der Richtung, in die sich deine Gedanken bewegen, nicht folgen, und diese sinnlosen Worte ermüden mich.«
    »Ich glaube«, fuhr Bairoth hartnäckig fort, »dass die Knochen des Knochenpasses von jenem Volk stammen, das die Dämonin eingesperrt hatte. Und das beunruhigt mich, Karsa Orlong, denn diese Knochen sehen denen der Tiefländer sehr ähnlich – sicher, sie sind dicker, aber dennoch kindlich. Tatsächlich wäre es doch möglich, dass die Tiefländer mit jenem uralten Volk verwandt sind.«
    »Na und?« Karsa stand auf. »Ich will nichts mehr davon hören. Deine einzige Aufgabe ist es jetzt, dich auszuruhen, morgen früh bei Anbruch der Morgendämmerung aufzustehen und deine Waffen bereitzumachen. Denn morgen werden wir Kinder erschlagen.« Er ging hinüber zu den Pferden, die ein paar Schritte entfernt unter den Bäumen standen. Delum saß ganz in der Nähe inmitten der Hunde und hielt Nagers dreibeinige Gefährtin in den Armen. Geistesabwesend streichelte er den Kopf des Tiers. Karsa starrte Delum noch einen Augenblick an, dann drehte er sich um und machte sein Nachtlager bereit.
    Das Rauschen des Flusses war das einzige Geräusch, während das Rad der Sterne langsam über den Himmel wanderte. Irgendwann in der Nacht drehte sich der Wind und trug den Geruch von Holzrauch und Vieh und – einmal – auch das schwache Gebell eines Hundes zu ihnen herüber. Karsa lag wach auf seinem Moosbett und betete zu Urugal, dass der Wind sich bei Sonnenaufgang nicht wieder drehen würde. Auf den Höfen der Tiefländer gab es immer Hunde, die aus den gleichen Gründen gehalten wurden, aus denen die Teblor Hunde hielten. Scharfe Ohren und feine Nasen, immer schnell dabei, Fremde anzukündigen. Aber diese Hunde würden Züchtungen der Tiefländer sein – kleiner als die der Teblor. Nager und seine Meute würden kurzen Prozess mit ihnen machen. Und es würde keine Vorwarnung geben … solange sich der Wind nicht drehte.
    Er hörte, wie Bairoth aufstand und zu der Stelle ging, wo die Meute schlief.
    Karsa warf einen Blick hinüber und sah, dass Bairoth sich neben Delum gekauert hatte. Die Hunde hoben fragend die Köpfe und schauten zu, wie Bairoth Delum über das Gesicht strich.
    Es dauerte einen Moment, bis Karsa klar wurde, was da gerade geschah. Bairoth bemalte Delums Gesicht mit der Kampfmaske in schwarz, grau und weiß, den Farben der Uryd. Die Kampfmaske war Kriegern vorbehalten, die wissentlich in den Tod ritten; es war eine Ankündigung, dass das Schwert nie wieder in die Scheide gesteckt werden würde. Doch es war ein Ritual, das traditionellerweise alternden Kriegern zugestanden wurde, die sich entschlossen hatten, einen letzten Raubzug zu unternehmen, um zu vermeiden, mit dem Stroh des Nachtlagers am Rücken zu sterben. Karsa stand auf.
    Falls Bairoth ihn kommen hörte, ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. Tränen rannen dem massigen Krieger über das breite, derbe Gesicht, während Delum, der vollkommen reglos dalag, aus weit aufgerissenen Augen zu ihm hinaufstarrte, ohne ein einziges Mal zu blinzeln.
    »Er versteht nicht, was geschieht, aber ich verstehe es sehr wohl«, grollte Karsa. »Bairoth Gild, du entehrst jeden Uryd-Krieger, der je die Kampfmaske getragen hat.«
    »Tue ich das, Karsa Orlong? Jene Krieger, die alt geworden und zu einem letzten Kampf ausgezogen sind – es ist nichts Ruhmreiches in ihrer

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