SdG 06 - Der Krieg der Schwestern
Raspeln von Kiefernbohrern. Das große, in die Luft ragende Wurzelgeflecht der Zeder hatte dort, wo der Baum früher gestanden hatte, einen kahlen Flecken Felsgestein hinterlassen. Dieser Fels war trocken und lag voll im Sonnenlicht.
Karsa begann damit, die Vorräte von den Pferden abzuschnallen, während Bairoth sich daranmachte, abgestorbenes Holz von der Zeder zusammenzusuchen. Delum fand ein moosbewachsenes, von der Sonne gewärmtes Plätzchen und rollte sich zum Schlafen zusammen. Karsa überlegte kurz, ob er ihm die nassen Kleider ausziehen sollte, doch als er sah, wie sich der Rest der Meute um Delum herumdrängte, zuckte er nur die Schultern und entlud weiter die Pferde.
Kurze Zeit später saßen die beiden Krieger nackt auf dem Felsen, während ihre Kleider in der Nähe des Feuers über Wurzeln hingen. Langsam wich die Kälte aus Muskeln und Knochen.
»Am anderen Ende dieses Tals«, sagte Karsa, »wird der Fluss breiter und bildet eine Niederung, bevor er den See erreicht. Die Seite, auf der wir jetzt sind, wird zum Südufer des Flusses. In der Nähe der Mündung gibt es eine Felsnadel, die unsere Sicht nach rechts behindert. Direkt dahinter, am südwestlichen Ufer, liegt das Gehöft der Tiefländer. Wir sind beinahe da, Bairoth Gild.«
Der Krieger auf der anderen Seite der Feuerstelle rollte die Schultern. »Sag mir, dass wir bei Tageslicht angreifen werden, Kriegsführer. Ich habe einen tiefen Hass auf die Dunkelheit entwickelt. Der Knochenpass hat mein Herz schrumpfen lassen.«
»Bei Tageslicht soll es also sein«, antwortete Karsa und entschloss sich, Bairoths letztes Geständnis nicht weiter zu beachten, denn die Worte hatten etwas in ihm zum Klingen gebracht und einen sauren Geschmack in seinem Mund hinterlassen. »Die Kinder werden auf den Feldern arbeiten und den befestigten Teil des Gehöfts nicht mehr rechtzeitig erreichen können. Sie werden uns auf sich zustürmen sehen und Entsetzen und Verzweiflung kennen lernen.«
»Das gefällt mir, Kriegsführer.«
Der Rotholz- und Zedernwald bedeckte das gesamte Tal; nirgends gab es Anzeichen von großflächigen Rodungen oder auch nur Hinweise darauf, dass hier gelegentlich Holz geschlagen wurde. In dem dichten Unterholz ließ sich kaum jagdbares Wild auftreiben, und die Tage vergingen in diffusem Zwielicht; nur an den Stellen, an denen ein Baum umgestürzt und eine Lücke im dichten Laubdach entstanden war, war es etwas heller. Die Essensvorräte der Teblor schwanden schnell dahin; die Pferde wurden bei einer Diät aus Blaublatt, Kallamoos und bitterem Wein immer dünner, und die Hunde mussten notgedrungen verrottetes Holz, Beeren und Käfer fressen.
Am Mittag des vierten Tags verengte sich das Tal, und sie waren gezwungen, näher an den Fluss heranzugehen. Bisher hatten die Teblor – um sicherzustellen, dass sie unentdeckt blieben – sich immer im dichten Wald gehalten, weit weg von dem einzigen Pfad, der am Fluss entlangführte. Aber jetzt, endlich, näherten sie sich dem Silbersee.
Sie erreichten die Mündung des Flusses, als die Abenddämmerung gerade hereinbrach und das Rad der Sterne am Himmel über ihnen erwachte. Der Pfad, der längs des mit Felsen übersäten Flussufers verlief, war erst vor kurzem in nordwestlicher Richtung benutzt worden, aber es gab keinerlei Anzeichen, dass jemand zurückgekommen war. Die Luft über dem dahinbrausenden Wasser war frisch. Dort, wo sich der Fluss in den See ergoss, hatten Sand und Geröll eine breite Insel voller Treibholz gebildet. Nebelschwaden hingen über dem Wasser, so dass die fernen Ufer im Norden und Osten des Sees kaum zu erkennen waren. An jenen Ufern reichten die Berge bis an den See, umspielten die von einer frischen Brise gekräuselten Wellen ihren Fuß.
Karsa und Bairoth stiegen ab und machten sich daran, ihr Lager aufzuschlagen, obwohl sie in dieser Nacht kein Feuer entzünden würden.
»Die Spuren stammen von den Tiefländern, die du getötet hast«, sagte Bairoth nach einer Weile. »Ich frage mich, was sie wohl an jenem Ort wollten, an dem die Dämonin eingesperrt gewesen war.«
Karsa zuckte gleichgültig die Schultern. »Vielleicht hatten sie vor, sie zu befreien.«
»Das glaube ich nicht, Karsa Orlong. Die Zauberei, die sie benutzt haben, um dich anzugreifen, war von einem Gott abgeleitet. Ich glaube, sie sind gekommen, um sie anzubeten; vielleicht konnte die Seele der Dämonin ja aus dem Körper gezogen werden, so wie bei den Gesichtern im Fels. Vielleicht war es für die
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