SdG 06 - Der Krieg der Schwestern
so ein Gefühl, dass die Malazaner vor dir da sein werden, fürchte ich. Stell dir vor, meine geliebte Heimatstadt ist noch nie erobert worden, obwohl sie zu geizig ist, ein stehendes Heer zu unterhalten. Die Götter schauen nicht nur mit dem Auge des Beschützers auf Darujhistan herab, sondern sie trinken wahrscheinlich auch in unseren Tavernen. Auf jeden Fall – oh, schsch, da kommt jemand.«
Schritte näherten sich, dann beobachtete Karsa mit zusammengekniffenen Augen, wie Sergeant Strang in sein Blickfeld geklettert kam und Torvald Nom mehrere Augenblicke lang finster anstarrte. »Du siehst ganz gewiss nicht wie eine Klaue aus …«, sagte er schließlich. »Aber vielleicht ist das ja auch gerade der Trick.«
»Vielleicht ist er das.«
Strang drehte sich nach Karsa um, und der Teblor schloss die Augen ganz. »Ist er schon wieder aufgewacht?«
»Zweimal. Hat aber nur gesabbert und tierische Geräusche von sich gegeben. Ich glaube, du hast sein Gehirn beschädigt – mal angenommen, er hat wirklich eins.«
Strang grunzte. »Könnte eine gute Sache sein, so lange er uns nicht wegstirbt. Nun, wo war ich stehen geblieben?«
»Torvald Nom, die Klaue.«
»Ach ja, richtig. In Ordnung. Doch auch so werden wir dich weiterhin wie einen Banditen behandeln – bis du uns beweist, dass du etwas anderes bist –, und daher wirst du wie alle anderen auch in die Otataral-Minen geschickt. Das heißt, wenn du tatsächlich eine Klaue bist, solltest du es uns lieber sagen, bevor wir Genabaris verlassen.«
»Vorausgesetzt, natürlich«, sagte Torvald lächelnd, »dass es nicht zu meinem Auftrag gehört, mich als Gefangener in den Otataral-Minen zu tarnen.«
Strang runzelte die Stirn, dann zischte er einen Fluch und sprang vom Wagen.
»Schafft diesen verdammten Wagen auf die Fähre! Jetzt gleich!«, hörten sie ihn rufen.
Die Räder setzten sich quietschend in Bewegung, die Ochsen muhten.
Torvald Nom seufzte, lehnte den Kopf gegen das Seitenbord und schloss die Augen.
»Du spielst ein gefährliches Spiel«, murmelte Karsa.
Der Daru öffnete ein Auge. »Ein Spiel, Teblor? In der Tat, aber vielleicht ein anderes, als du glaubst.«
Karsa verlieh seinem Abscheu mit einem Grunzen Ausdruck.
»Sei nicht so schnell damit, etwas abzutun, was – «
»Doch, das bin ich«, erwiderte der Krieger, während die Ochsen den Wagen auf eine Rampe aus hölzernen Planken zogen. »Meine Gründe sollen sein ›versuchter Mord, Verrat, Spott und eine dieser Klauen zu sein‹.«
»Und zu viel zu reden?«
»Es scheint, als würde ich diesen Fluch ertragen müssen.«
Torvald neigte langsam den Kopf; dann grinste er. »Einverstanden.«
Auf eine merkwürdige Weise erwies sich die Disziplin, die es erforderte, die ganze Zeit so zu tun, als wäre sein Geist verwirrt, als Karsas größter Verbündeter in dem Versuch, nicht wahnsinnig zu werden. Erst Tage, dann Wochen mit ausgebreiteten Armen und Beinen am Boden eines Wagens angekettet auf dem Rücken zu liegen war eine Tortur, die anders war als alles, was der Teblor je für möglich gehalten hätte. Ungeziefer krabbelte überall auf ihm herum, und er hatte tausende von Bissen und Stichen, die unaufhörlich juckten. Er wusste von großen Tieren aus den Wäldern, die von Mücken und Schwarzfliegen in den Wahnsinn getrieben worden waren, und nun verstand er, wie so etwas geschehen konnte.
Am Ende eines jeden Tages wurde er mit mehreren Eimern eiskalten Wassers übergossen und von dem Viehtreiber gefüttert, der den Wagen lenkte, einem alten, übel riechenden Nathii, der sich mit einem rauchgeschwärzten eisernen Topf, in dem sich eine Art dicker, sämiger Eintopf befand, neben seinem Kopf hinkauerte. Der Mann benutzte einen großen hölzernen Löffel, um Karsa den kochend heißen, malzigen Getreidebrei und das zähe Fleisch in den Mund zu stopfen; die Lippen, die Zunge und die Innenseite der Wangen des Teblor waren schrecklich verbrüht und mit Blasen besetzt, denn er wurde so häufig gefüttert, dass die Zeit dazwischen nicht zum Heilen ausreichte.
Die Mahlzeiten wurden zu einer Tortur, die erst dann ein wenig erträglicher wurde, als Torvald den Viehtreiber überredete, diese Aufgabe übernehmen zu dürfen; so konnte er sicherstellen, dass der Eintopf genügend abgekühlt war, bevor er Karsa in den Mund gestopft wurde. Binnen weniger Tage waren die Blasen verschwunden.
Der Teblor bemühte sich, seine Muskeln in Form zu halten, indem er sie spät in der Nacht immer wieder anspannte und
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