SdG 07 - Das Haus der Ketten
besprechen. Aber zuerst sollten wir etwas essen – bevor der Wein uns betrunken macht.«
Sha’ik prallte schaudernd zurück und stolperte einen Schritt rückwärts. Sie stieß zischend den Atem aus, beunruhigt und – voller Schmerzen. Ein ganzer Schwarm von Schutzzaubern wirbelte um Heborics Unterkunft herum; sie flackerten noch immer von der Aufregung, die ihr Zusammenstoß hervorgerufen hatte.
Sie schluckte den Ärger über den Frevel hinunter und senkte die Stimme, als sie sagte: »Du weißt, wer gekommen ist, Heboric. Lass mich hinein. Widersetze dich mir, und ich werde den Zorn der Göttin auf dich herabrufen, hier und jetzt.«
Einen Augenblick herrschte Stille. Dann erklangen zwei Worte. »Tritt ein.«
Sie trat vorwärts. Einen Augenblick lang spürte sie einen Druck, dann stolperte sie hindurch, kam kurz vor der in sich zusammengefallenen Grundmauer zum Stehen. Eine plötzliche … Abwesenheit. Ein erschreckendes Gefühl, das wie das hellste Licht dort hervorbrach, wo einen Augenblick zuvor nichts als undurchsichtige Düsternis geherrscht hatte. Beraubt … aber frei. Bei den Göttern, frei – das Licht – »Geisterhand !«, keuchte sie. »Was hast du getan?«
»Die Göttin in dir«, erklang Heborics Stimme, »ist in meinem Tempel nicht willkommen.«
Tempel? Stürmische Gefühle wallten in ihr auf, und die großen Flächen in ihrem Geist, auf denen bisher die Göttin des Wirbelwinds gewesen war, waren plötzlich leer und füllten sich mit der dunklen raschen Rückkehr von … von all dem, was ich einmal war. Bittere Wut erwachte wie ein verheerendes Feuer, als Erinnerungen mit dämonischer Wildheit in ihr aufstiegen und über sie herfielen. Beneth. Du elender Scheißkerl. Du hast deine Hände an ein Kind gelegt, doch was du geschaffen hast, war keine Frau. Sondern ein Spielzeug. Eine Sklavin für dich und deine verdrehte, brutale Welt.
Ich habe oft auf das Messer in deinen Händen gestarrt, wenn du dir mit deinen Spielchen die Zeit vertrieben hast. Und genau das hast du mir beigebracht, oder? Andere zum Spaß und um des Blutvergießens willen zu verletzen. Oh, und wie ich sie verletzt habe. Baudin. Kulp. Heboric -
Eine körperliche Präsenz war jetzt neben ihr, Hände, die sich fest anfühlten – jadegrün, schwarz gestreift – eine Gestalt, untersetzt und breit und scheinbar im Schatten von Farnwedeln – nein, das sind Tätowierungen. Heboric …
»Komm rein, Schätzchen. Ich habe dich … beraubt. Eine unvorhersehbare Folge dessen, dass ich die Göttin aus deiner Seele vertrieben habe. Komm herein.«
Er führte sie ins Innere des Zelts. Die Luft war kalt und feucht, eine einzige kleine Öllampe kämpfte gegen die Düsternis – eine Flamme, die sich plötzlich bewegte, als er die Lampe hochhob und zu einem Kohlebecken trug, wo er das brennende Öl dazu benutzte, die Briketts aus Dung zu entzünden. Und während er das tat, sprach er. »Ich brauche nicht viel Licht … das Verstreichen der Zeit … bevor ich die Aufgabe erteilt bekommen habe, einen behelfsmäßigen Tempel zu weihen … was weiß ich denn schon von Treach?«
Sie saß in Felle gehüllt auf einem Kissen und hielt die zitternden Hände an die wachsenden Flammen in der Kohlenpfanne. Als der Name »Treach« fiel, zuckte sie zusammen und blickte auf.
Und stellte fest, dass Heboric vor ihr kauerte. So wie er damals – an jenem Tag, der mittlerweile schon so lange, lange her ist – auf dem Urteils-Ring gehockt hat. Als die Fliegen des Vermummten zu ihm gekommen sind … um Feners Sturz vorherzusagen. Die Fliegen wollten seine spiraligen Tätowierungen nicht berühren. Daran kann ich mich noch gut erinnern. Sonst sind sie überall wie wahnsinnig herumgeschwirrt. Und jetzt hatten sich diese Tätowierungen verändert. »Treach.«
Er blickte sie aus verengten Augen an – es sind Katzenaugen – er kann sehen! »Er ist zum Gott aufgestiegen, Sha’ik – «
»Nenn mich nicht so. Ich bin Felisin Paran aus dem Haus Paran.« Sie schlang sich plötzlich die Arme um den Oberkörper. »Sha’ik wartet auf mich … da draußen, jenseits dieser Zeltwände – jenseits deiner Schutzzauber.«
»Und … wirst du in ihre Umarmung zurückkehren, Schätzchen?«
Sie betrachtete das Feuer in der Kohlenpfanne. »Ich habe keine andere Wahl, Heboric«, flüsterte sie.
»Nein, vermutlich hast du die wirklich nicht.«
Plötzlich durchzuckte sie ein eisiger Schreck, und sie schoss hoch. »Felisin!«
»Was?«
»Felisin die Jüngere. Ich habe
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