SdG 07 - Das Haus der Ketten
Kinder der Älteren Gewirre. Galain, Emurlahn und Thyrllan. Ist es so überraschend, dass sie einmal mehr gegeneinander Krieg führen? Erben wir nicht immer den Groll unserer Väter und Mütter?
Doch ein Hauch von Furcht blieb. Er hatte sie schließlich nicht gerufen. Er wusste nicht, was wirklich unter dem Gewirr des Wirbelwinds lag, warum das Gewirr ausgerechnet an genau diesem und keinem anderen Ort festgehalten wurde. Er hatte einfach nicht verstanden, dass die alten Schlachten niemals wirklich zu Ende waren, sondern einfach nur ruhten, und dass jeder Knochen im Sand unruhig vor Erinnerungen war.
Bidithal hob die Arme, und die Armee der Schatten, die sich in seinem Tempel drängte, rückte näher.
»Meine Kinder«, flüsterte er und begann mit dem Schlussgesang.
»Vater.«
»Erinnert ihr euch?«
»Wir erinnern uns.«
»Erinnert ihr euch an das Dunkel?«
»Wir erinnern uns an das Dunkel. Vater–«
»Stellt die Frage und beschließt damit diesen Augenblick, Kinder.«
»Erinnert Ihr Euch an das Dunkel?«
Das Lächeln des Priesters wurde breiter. Eine einfache Frage, eine Frage, die man jedem stellen konnte, wirklich jedem. Und vielleicht würden sie verstehen. Wahrscheinlich jedoch nicht. Aber ich verstehe sie.
Erinnert Ihr Euch an das Dunkel?
»Ich erinnere mich.«
Als sich die Schatten unter Seufzern auflösten, versteifte Bidithal sich einmal mehr angesichts des beinahe unhörbaren Rufs. Er erzitterte erneut. Sie kamen tatsächlich immer näher.
Und er fragte sich, was sie wohl tun würden, wenn sie schließlich da waren.
Es waren insgesamt elf. Von ihm persönlich ausgewählt. Korbolo Dom ließ sich in seine Kissen zurücksinken, während er mit verschleiertem Blick die schweigenden, verhüllten Gestalten betrachtete, die vor ihm standen. Der Napanese hielt einen Kristallkelch in der Rechten, in dem ein seltener Wein aus den Tälern von Grisian in Quon Tali schwappte. Die Frau, mit der er sich früher am Abend vergnügt hatte, schlief; ihr Kopf ruhte auf seinem rechten Oberschenkel. Er hatte sie mit ausreichend Durhang abgefüllt, so dass sie die nächsten zwölf Glockenschläge in völliger Bewusstlosigkeit verbringen würde. Wobei solche Maßnahmen nichts mit einem geschmacklosen Verlangen seinerseits zu tun hatten, sondern nur aus Gründen der Sicherheit erforderlich waren.
Die elf Mörder hatte er unter seinen Hundeschlächtern ausgewählt – und sie waren beängstigend fähig. Fünf von ihnen waren in den Tagen vor der Herrschaft des Imperiums persönliche Assassinen von Heiligen Falah’dan gewesen und mit alchemistischen und magischen Geschenken belohnt worden, damit ihre jugendliche Erscheinung und Lebenskraft erhalten blieb.
Drei der übrigen sechs waren Malazaner aus Korbolo Doms persönlichem Umfeld, Mitglieder einer Gruppe, die er schon vor langer Zeit ins Leben gerufen hatte – nämlich als ihm klar geworden war, dass er Grund genug hatte, sich wegen der Klauen Sorgen zu machen. Grund … nein, das ist eine Vereinfachung, die in ihrer Sprödheit fast schon wieder drollig ist. Sagen wir eher eine Vielzahl von Erkenntnissen, von unerwarteten Entdeckungen, von Wissen, das zu erlangen ich niemals erwartet hätte – von Dingen, die ich längst für tot und vergangen gehalten hatte. Einst hatte es zehn solcher Leibwächter gegeben. Der Beweis für ihre Notwendigkeit stand hier nun vor ihm. Drei waren noch übrig, das Ergebnis eines brutalen Ausleseprozesses, so dass nur die übrig geblieben waren, die über die größten Fähigkeiten und das zufälligste Bündnis mit Oponns Glück verfügten – zwei Qualitäten, die sich gut ergänzten.
Die restlichen drei Assassinen waren Stammeskrieger aus verschiedenen Stämmen; jeder von ihnen hatte seinen Wert während der Kette der Hunde bewiesen. Einer hatte den Pfeil abgeschossen – aus einer Entfernung von siebzig Schritt –, der am Tag des Reinen Blutes Sormo E’nath getötet hatte. Es hatten noch andere Pfeile getroffen, doch es war derjenige in den Hals des Waerloga gewesen – der Pfeil des Assassinen –, der dafür gesorgt hatte, dass die Lungen des Jungen sich mit Blut gefüllt hatten und seine Atemzüge ertränkt worden waren, so dass er seine verdammten Geister nicht anflehen und um Heilung betteln konnte …
Korbolo nippte an seinem Wein und leckte sich langsam die Lippen. »Kamist Reloe hat diejenigen von euch ausgewählt«, knurrte er nach einem kurzen Moment, »welche die eine Aufgabe erfüllen sollen, die alles andere
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