SdG 07 - Das Haus der Ketten
Schildkröte machte kehrt; mit ihren plumpen Beinen beschrieb sie einen weiten Kreis.
»Was macht sie denn da?«
»Sie hat uns endlich gesehen«, erwiderte Onrack, »deshalb läuft sie weg.«
»Oh, dann wird es heute Nacht also keinen Spaß und keine Spiele geben. Armes Tier.«
»Der Bursche wird rechtzeitig zu dem Schluss kommen, dass es sicher ist, die Reise fortzusetzen, Trull Sengar. Wir waren nichts weiter als ein zeitweiliges Hindernis.«
»Ein bescheidener Wink sozusagen.«
»Wenn du so willst.«
Der Tag war wolkenlos; Hitze stieg in flirrenden Wogen von dem alten Meeresgrund auf. Ein paar tausend Schritt voraus verwandelte er sich in eine grasige Steppe – dort fing die Odhan wieder an. Auf dem salzverkrusteten Boden waren kaum Spuren zu sehen, dennoch konnte Onrack die kleinen Anzeichen erkennen, die von den sechs Abtrünnigen zurückgelassen worden waren – hier ein Kratzer, dort ein Abdruck. Einer – oder eine – der sechs zog beim Laufen ein Bein nach, während ein anderer die eine Körperseite mehr belastete als die andere. Sie waren zweifellos alle schwer beschädigt. Obwohl der eigentliche Schwur nicht mehr galt, waren immer noch Überreste jener Macht zurückgeblieben, die ihnen das Ritual verliehen hatte, doch da war auch noch etwas anderes – ein undeutlicher Hinweis auf Chaos, auf unbekannte Gewirre … oder vielleicht auch auf vertraute Gewirre, die bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden waren. Onrack hatte den Verdacht, dass sich ein Knochenwerfer bei den sechs befand.
Olar Ethil, Kilava Onas, Monok Ochem, Hentos Ilm, Tem Banasto, Ulpan Nodost, Tenag Ilbaie, Ay Estos, Absin Tholai … die Knochenwerfer und Knochenwerferinnen der Logros T’lan Imass. Wer von ihnen ist verloren gegangen? Kilava natürlich, aber das war schon immer so. Hentos Ilm und Monok Ochem haben ihrerseits beide an der Jagd teilgenommen. Olar Ethil sucht die anderen Armeen der T’lan Imass – denn der Ruf ist von allen gehört worden. Banasto und Ulpan bleiben bei Logros. Ay Estos ist hier, in der Jhag-Odhan, im letzten Krieg verschwunden. Über das Schicksal von Absin Tholai weiß ich nichts. Dann bleibt noch Tenag Ilbaie, den Logros zu den Kron geschickt hat, um ihnen in den L’aederon-Kriegen beizustehen. Also. Absin Tholai, Tenag Ilbaie oder Ay Estos.
Natürlich gab es keinen Grund anzunehmen, dass die Abtrünnigen von den Logros stammten, auch wenn ihre Anwesenheit hier, auf diesem Kontinent, so etwas nahe legte – schließlich waren die hiesigen Höhlen und Waffenkammern nicht die einzigen, die es gab. Ähnliche geheime Orte fanden sich auf allen anderen Kontinenten. Doch die Abtrünnigen waren ins Reich der Sieben Städte gekommen, zum Geburtsort des Ersten Imperiums, um sich ihre Waffen zurückzuholen. Und es war Logros gewesen, der die Aufgabe gehabt hatte, das Kernland zu halten.
»Trull Sengar?«
»Ja?«
»Was weißt du vom Kult der Namenlosen?«
»Nur, dass sie sehr erfolgreich sind.«
Der T’lan Imass legte den Kopf leicht schief. »Was meinst du damit?«
»Nun, ihre Existenz war mir bisher unbekannt. Ich habe noch nie von ihnen gehört.«
Oh. »Logros hat befohlen, den Ersten Thron aus diesem Land fortzuschaffen, da die Namenlosen kurz davor standen, den Ort, an dem er sich befand, zu entdecken. Sie waren zu der Erkenntnis gelangt, dass jemand auf seine Macht Anspruch erheben könnte, dass die T’lan Imass dazu gebracht werden könnten, sich vor dem – oder der – ersten Sterblichen zu verbeugen, der sich daraufsetzte.«
»Und Logros wollte nicht, dass dieser Sterbliche einer von den Namenlosen sein würde. Warum? Was für schreckliche Pläne verfolgen sie? Und bevor du antwortest, sollte ich dir vielleicht sagen, dass für mich der Begriff ›schreckliche Pläne‹ in Anbetracht deines und meines eigenen Volkes ziemlich grässliche Ausmaße annimmt.«
»Ich verstehe, Trull Sengar, und dein Einwand ist berechtigt. Die Namenlosen dienen den Azath-Häusern. Logros befürchtete, dass wenn ein Priester dieses Kults sich auf den Ersten Thron gesetzt hätte, die T’lan Imass nur einen einzigen Befehl erhalten hätten, nämlich freiwillig ewige Gefangenschaft zu akzeptieren. Wir wären von dieser Welt entfernt worden.«
»Und daher wurde der Thron fortgeschafft.«
»Ja. Auf einen Kontinent südlich von hier. Wo er von einem Magier gefunden wurde – von Kellanved, dem Imperator des malazanischen Imperiums.«
»Und der befiehlt jetzt über alle T’lan Imass? Kein Wunder, dass das
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