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SdG 07 - Das Haus der Ketten

SdG 07 - Das Haus der Ketten

Titel: SdG 07 - Das Haus der Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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leise vor sich hin, wenn sie einen Stein lostrat, der nach unten kullerte. Sie hörte ihn fluchen, als ein solcher Felsbrocken gegen sein Schienbein krachte, und spürte, wie ihre finstere Miene sich in ein wildes Grinsen verwandelte.
    Die polierte Oberfläche des elenden Kerls blätterte langsam ab, und es kamen hässliche Flecken zum Vorschein, die gleichermaßen Anlass zu höhnischen Bemerkungen boten wie eine merkwürdige, schale Anziehungskraft besaßen. Zu alt, um noch von Vollkommenheit zu träumen, hatte sie begonnen, einen gewissen Reiz in den Schwächen anderer zu sehen. Und davon hatte Perl eine ganze Menge-
    Es ärgerte ihn, die Führung abzugeben, doch in diesem Gelände kannte Lostara sich aus, denn es gehörte zu ihren Erinnerungen. Der nackte Fußboden des alten Tempels lag direkt vor ihnen – der Ort, an dem sie Sha’ik einen Armbrustbolzen in die Stirn geschossen hatte.
    Und wenn die beiden Leibwächter nicht gewesen wären – besonders dieser Toblakai –, hätte jener Tag mit einem noch größeren Triumph geendet, denn dann wären die Roten Klingen mit Sha’iks Kopf auf einer Lanze nach G’danisban zurückgekehrt. Und hätten so die Rebellion beendet, noch ehe sie überhaupt richtig begonnen hatte.
    So viele Leben wären gerettet worden, wenn das geschehen wäre, wenn die Wirklichkeit sich so reibungslos entwickelt hätte wie die Szene in ihrem Kopf. Durch solche Geschehnisse war der ganze Subkontinent unwiderruflich kopfüber in den derzeitigen schmutzigen und blutgetränkten Zustand getaumelt.
    Dieser verdammte Toblakai. Mit seinem verfluchten Holzschwert. Wenn er nicht gewesen wäre, wo stünden wir dann heute? Zunächst einmal stünden wir höchstwahrscheinlich nicht hier. Felisin Paran hätte nicht das ganze Reich der Sieben Städte durchqueren müssen, nur um nicht von wütenden Rebellen getötet zu werden. Coltaine wäre noch am Leben und würde jede schwelende Glut ersticken, bevor sie hell auflodern könnte. Und Hohefaust Pormqual wäre zur Imperatrix geschickt worden, um Rechenschaft über seine Unfähigkeit und Verdorbenheit abzulegen. Doch all das ist nicht geschehen – nur wegen diesem widerlichen Toblakai …
    Sie ging an den großen Felsblöcken vorbei, hinter denen sie sich versteckt hatten, dann an demjenigen, den sie benutzt hatte, um nahe genug für den tödlichen Schuss heranzukommen. Und dort, zehn Schritt vor dem Tempelfußboden, lagen die Überreste der letzten Roten Klinge, die während des Rückzugs gefallen war.
    Lostara trat auf den gefliesten Boden und blieb stehen.
    Perl kam an ihre Seite und sah sich neugierig um.
    »Da drüben hat sie gesessen.« Lostara deutete mit dem Finger in die entsprechende Richtung.
    »Sha’iks Leibwächter haben sich nicht die Mühe gemacht, die Roten Klingen zu begraben«, bemerkte Perl.
    »Nein, warum sollten sie auch?«
    »Und sie scheinen sich auch bei Sha’ik nicht die Mühe gemacht zu haben«, fuhr Perl fort. Er ging zu einer im Schatten liegenden Stelle zwischen den beiden Säulen eines alten Torbogens.
    Lostara folgte ihm. Ihr Herz hämmerte plötzlich in ihrer Brust.
    Die Gestalt war winzig, in verwitterten Zeltstoff gewickelt. Das Haar war weiter gewachsen – auch noch lange nach ihrem Tod –, und das Ergebnis war entsetzlich, wie sie sehen konnte, nachdem Perl sich hingekauert und die Zeltplane zurückgeschlagen hatte. Ein ausgetrocknetes Gesicht – ein ganzer, ausgetrockneter Kopf kam zum Vorschein. Das Loch, das der Armbrustbolzen in Sha’iks Stirn geschlagen hatte, war vom Wind mit Sand gefüllt worden. Weitere kleine Körnchen waren in die Augenhöhlen, die Nase und den weit aufgerissenen Mund der Leiche geweht worden.
    »Die Raraku fordert die ihren zurück«, murmelte Perl nach einem kurzen Moment. »Und Ihr seid sicher, dass das hier Sha’ik war, Schätzchen?«
    Sie nickte. »Das Buch Dryjhnas wurde ihr übergeben, wie ich schon erzählt habe. Wurde in ihre Hände gelegt. Dadurch, so war es prophezeit, sollte es zu einer Wiedergeburt kommen, und die wiederum würde den Wirbelwind hervorrufen, die Apokalypse … die Rebellion.«
    »Beschreibt mir noch einmal diese beiden Leibwächter.«
    »Ein Toblakai und der Mann, der unter dem Namen Leoman von den Dreschflegeln bekannt ist. Sha’iks vertrauteste Leibwächter.«
    »Doch es scheint, als hätte die Rebellion – oder der Wirbelwind -Sha’iks nicht bedurft. Es hatte alles bereits begonnen, als Felisin hierher gekommen ist. Also, was ist damals geschehen? Wollt

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