Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SdG 07 - Das Haus der Ketten

SdG 07 - Das Haus der Ketten

Titel: SdG 07 - Das Haus der Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
seinen Bewegungen sah Kalam den Beginn eines Rituals.
    Irgendetwas sagte dem Assassinen, dass diese Pardu nicht zu Sha’iks Armee der Apokalypse gehörten. Dafür verhielten sie sich viel zu verstohlen. Er schob langsam seine Otataral-Langmesser wieder in die Scheiden und schob sich in den tiefen Schatten seines Schlupfwinkels, um abzuwarten und zu beobachten.
    Das Gemurmel des Schamanen war zu einem rhythmischen Sprechgesang geworden, er griff in einen Beutel aus zusammengenähten Fellen an seinem Gürtel und holte eine Hand voll kleiner Gegenstände heraus, die er ausstreute, während er unablässig seine Kreise zog. Schwarz und glänzend prasselten und knallten die Gegenstände auf den Boden, als wären sie gerade einer Feuerstelle entnommen worden. Ein ätzender Gestank wogte von dem Ritualkreis heran.
    Kalam fand nie heraus, ob das, was als Nächstes geschah, Absicht gewesen war; das Ergebnis war es zweifellos nicht. Die Dunkelheit, die schwer auf der Straße lastete, schien krampfartig zu explodieren – und dann zerrissen Schreie die Luft. Zwei riesige Tiere waren gekommen, die sofort auf die Pardu-Krieger losgingen. Als hätte die Dunkelheit selbst Gestalt angenommen, verriet nur der Schimmer ihres glatten Fells ihre Anwesenheit, und sie bewegten sich so schnell, dass sie inmitten spritzenden Bluts und brechender Knochen zu Schemen verschwammen. Der Schamane kreischte auf, als eines der gewaltigen Tiere ihn angriff. Ein riesiger schwarzer Kopf schwang zu einer Seite, das Maul öffnete sich weit, und der Kopf des Schamanen verschwand in dem gähnenden Rachen. Es gab ein feuchtes Knirschen, als die Kiefer sich mahlend schlossen.
    Der Hund – denn die angekommenen Tiere waren Hunde, wie Kalam klar wurde – trat beiseite, während der kopflose Körper des Schamanen rückwärts stolperte und sich mit einem Plumps auf den Boden setzte.
    Der andere Hund hatte unter dem ekelhaften Geräusch brechender Knochen angefangen, die Leichen der gefallenen Pardu-Krieger aufzufressen.
    Dies waren keine Schattenhunde, wie Kalam gut erkennen konnte. Sie waren noch größer, noch kräftiger und erinnerten in ihrer Massigkeit eher an Bären als an Hunde. Doch als sie sich jetzt die Bäuche mit rohem Menschenfleisch voll schlugen, bewegten sie sich mit einer wilden Anmut, die etwas Vorzeitliches und Tödliches an sich hatte. Ohne jede Furcht und voller Selbstvertrauen, als wäre ihnen dieser merkwürdige Ort, an den sie gekommen waren, so vertraut wie ihre eigenen Jagdgründe.
    Der Anblick der beiden Tiere bereitete dem Assassinen eine Gänsehaut. Reglos hatte er zunächst seine eigene Atmung verlangsamt, dann seinen Herzschlag. Solange die Hunde nicht wieder verschwunden waren, konnte er nichts tun.
    Doch sie schienen keine Eile zu haben; beide setzten sich hin, um die letzten Oberschenkelknochen zu knacken und an den Gelenken herumzunagen.
    Diese Bastarde sind ganz schön hungrig. Ich frage mich, wo sie wohl hergekommen sind … und was sie jetzt noch vorhaben.
    Dann hob einer der Hunde den Kopf und versteifte sich. Er knurrte tief in der Kehle und stand auf. Der andere kaute weiter auf einem menschlichen Knie herum; die Spannung, die seinen Gefährten plötzlich ergriffen hatte, schien ihn gleichgültig zu lassen.
    Selbst als das Tier sich umdrehte und genau zu der Stelle starrte, an der Kalam kauerte.
    Es kam rasch auf ihn zu.
    Kalam hetzte die ausgetretenen Stufen hinauf, eine Hand glitt in die Falten seiner Telaba. Er machte einen scharfen Schwenk und rannte noch schneller, während er seine letzte Hand voll rauchiger Diamanten – aus seinem eigenen Vorrat, nicht die von Iskaral Pustl – hinter sich warf.
    Klauen scharrten direkt hinter ihm über den Stein, er warf sich zur Seite und rollte über eine Schulter ab, als der Hund jene Stelle erreichte, an der er selbst noch einen Augenblick zuvor gewesen war. Der Assassine rollte sich weiter, bis er wieder auf den Beinen war, wobei er verzweifelt an der Flöte zerrte, die an einem Riemen um seinen Hals hing.
    Der Hund schlitterte über staubige Bodenfliesen und drehte sich mit wild wirbelnden Beinen herum.
    Ein kurzer Blick zeigte Kalam, dass der andere Hund noch immer nicht auf das Geschehen achtete, sondern weiter auf irgendwelchen Knochen herumkaute.
    Dann klemmte sich Kalam die Flöte zwischen die Zähne. Er krabbelte in einem Halbkreis herum, um die Diamanten zwischen sich und den angreifenden Hund zu bringen.
    Und blies mit aller Kraft in die Knochenflöte.
    Fünf

Weitere Kostenlose Bücher