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SdG 07 - Das Haus der Ketten

SdG 07 - Das Haus der Ketten

Titel: SdG 07 - Das Haus der Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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vergangenen Zivilisationen, die jahrtausendelang nichts als Dunkelheit gekannt hatten. Die Szenerie hatte etwas leicht Verstörendes, als würde sie ihn flüsternd an die Alpträume erinnern, die seinen Schlaf heimgesucht hatten.
    Und an das verdammte Lied.
    Die Knochen von Meereslebewesen knirschten unter seinen Sohlen, als der Assassine weiterging. Es ging kein Wind, die Luft war fast schon unnatürlich ruhig. Zweihundert Schritt voraus stieg das Land wieder an, hoch zu einem alten, verfallenen Damm. Ein Blick zum Kamm hinauf ließ Kalam erstarren. Er ging in die Hocke, die Hände an den Griffen seiner Langmesser.
    Eine Kolonne von Soldaten marschierte auf dem Dammweg entlang. Sie hielten die behelmten Köpfe gesenkt und schleppten verwundete Kameraden mit, und ihre Piken wogten und glitzerten in der körnigen Dunkelheit.
    Kalam schätzte, dass es beinahe sechshundert waren. Im vorderen Drittel der Marschkolonne ragte eine Standarte in die Höhe. An der Spitze der Stange war ein menschlicher Brustkorb befestigt, dessen Rippen mit Lederstreifen zusammengebunden waren und in dem sich zwei Totenschädel befanden. Geweihe hingen an der Stange bis hinunter zu den blassen Händen ihres Trägers.
    Die Soldaten marschierten schweigend dahin.
    Beim Atem des Vermummten. Das sind Geister.
    Der Assassine richtete sich langsam wieder auf. Schritt vorwärts. Er stieg den Hang hinauf, bis er wie jemand, der von der vorbeiziehenden Armee angelockt worden war, am Wegesrand stand, während die Soldaten vorbeitrotteten – diejenigen auf seiner Seite waren so nah, dass er, wären sie aus Fleisch und Blut gewesen, den Arm hätte ausstrecken und sie berühren können.
    »Er kommt vom Meer herauf.«
    Kalam zuckte zusammen. Eine unbekannte Sprache, doch er konnte sie verstehen. Ein Blick zurück – die Senke, die er gerade durchquert hatte, hatte sich mit schimmerndem Wasser gefüllt. Fünf Schiffe lagen einhundert Ruderschläge vor der Küste tief im Wasser, drei von ihnen standen in Flammen, verstreuten Asche und Wrackteile, während sie dahintrieben. Von den restlichen beiden sank eines ziemlich schnell, während das letzte ohne jedes Leben zu sein schien; an Deck und in der Takelage waren Leichen zu sehen.
    »Ein Soldat.«
    »Ein Mörder.«
    »Auf dieser Straße sind zu viele Geister, meine Freunde. Sind wir nicht schon genug heimgesucht?«
    »Ja, Dessimbelackis wirft uns unaufhörlich Legionen entgegen, und egal, wie viele Soldaten wir auch niedermachen, der Erste Imperator findet immer mehr.«
    »Das stimmt nicht, Kullsan. Fünf von den Sieben Beschützern sind nicht mehr. Ist das etwa nichts? Und nun, da wir die schwarze Bestie vertrieben haben, wird der sechste sich nicht erholen.«
    »Ich frage mich, ob wir sie tatsächlich aus dieser Sphäre vertrieben haben?«
    »Wenn die Namenlosen die Wahrheit sprechen, dann ja – «
    »Deine Frage verwirrt mich, Kullsan. Marschieren wir nicht von der Stadt weg? Haben wir nicht gerade gesiegt?«
    Das Gespräch wurde immer leiser, als die Soldaten, die sich unterhalten hatten, weitermarschierten, doch Kalam konnte die Antwort des zweifelnden Kullsan noch verstehen: »Und warum ist unser Weg dann von Geistern gesäumt, Erethal?«
    Und was noch wichtiger ist, fügte Kalam im Stillen hinzu, warum meiner auch?
    Er wartete, bis der letzte Soldat an ihm vorbei war, dann trat er vor, um die alte Straße zu überqueren.
    Und sah auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine große, hagere Gestalt in einer verblichenen orangefarbenen Robe. Augen, die nur schwarze Höhlen waren. Eine fleischlose Hand umklammerte einen mit spiralförmigen Schnitzereien verzierten Elfenbeinstab, und die Gestalt stützte sich auf diesen Stab, als wäre er das Einzige, was sie noch aufrecht hielt.
    »Höre ihnen jetzt zu, Geist aus der Zukunft«, krächzte der Fremde und legte den Kopf schief.
    Und jetzt konnte Kalam es hören. Die geisterhaften Soldaten hatten begonnen zu singen.
    Schweißperlen traten auf die mitternachtsschwarze Haut des Assassinen. Ich habe dieses Lied schon einmal gehört … nein … aber etwas, das ihm sehr ähnlich war. Eine Abwandlung … »Was, beim Abgrund … Du da, Tanno Geistergänger, erklär mir das – «
    »Geistergänger ?Ist das der Name, den man mir verleihen wird? Ist es ein grässlicher Name? Oder das Eingeständnis eines Fluchs?«
    »Was meinst du damit, Priester?«
    »Ich bin kein Priester. Ich bin Tanno, der Elfte und letzte Seneschall von Yaraghatan, und vom Ersten Imperator

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