SdG 07 - Das Haus der Ketten
verschlingt. Ich habe der Göttin dieses Gefühl wie ein Geschenk dargeboten.
Bruchstücke klaren Denkens – sie wurden weniger, welkten dahin wie Blumen im Winter, während der Griff der Göttin des Wirbelwinds sich immer fester um ihre Seele schloss. Meine Schwester hat mich gegen das Vertrauen der Imperatrix eingetauscht, um Laseen von ihrer Loyalität zu überzeugen. Alles nur, um ihren Ehrgeiz zu befriedigen. Und sie ist mit der Position der Mandata belohnt worden. Das sind die Tatsachen, das ist die kalte Wahrheit. Und ich habe im Gegenzug meine Freiheit gegen die Macht der Göttin des Wirbelwinds eingetauscht, so dass ich gerechte Rache an meiner Schwester üben kann.
Sind wir dann tatsächlich so verschieden?
Bruchstücke klaren Denkens, doch sie führten nirgendwo mehr hin. Sie konnte Fragen stellen, doch sie schien unfähig, Antworten zu finden. Sie konnte Feststellungen treffen, doch sie schienen merkwürdig hohl, ohne jede Bedeutung. Sie wurde vom Denken abgehalten.
Warum?
Eine weitere Frage, von der sie wusste, dass sie sie nicht beantworten können würde, dass sie noch nicht einmal den Versuch machen würde, sie zu beantworten. Die Göttin will nicht, dass ich denke. Nun, das zumindest war in gewisser Weise eine Erkenntnis.
Sie spürte, dass sich jemand näherte, und schickte ihren Wachen -Mathoks ausgewählten Kriegern – einen lautlosen Befehl, den Besucher durchzulassen. Die Vorhänge, die den Eingang zu ihrem Zimmer bedeckten, teilten sich.
»Es ist spät in der Nacht für einen alten Mann wie Euch, Bidithal«, sagte Sha’ik. »Ihr solltet eigentlich ruhen, um Euch auf die Schlacht vorzubereiten.«
»Es gibt viele Schlachten, Erwählte, und einige davon haben bereits begonnen.« Er stützte sich schwer auf seinen Stock und blickte sich um. Ein leichtes Lächeln kräuselte seine runzligen Lippen. »Die Kohlen verglühen«, murmelte er.
»Ich hätte gedacht, es würde Euch gefallen, wenn die Schatten zunehmen.«
Sein Lächeln gefror, dann zuckte er die Schultern. »Es sind nicht meine Schatten, Erwählte.«
»Nicht?«
Sein Lächeln wurde noch gezwungener. »Ich war nie ein Priester von Meanas.«
»Nein, hier war es Rashan, das Geistkind von Kurald Galain … doch das Gewirr, das Anspruch darauf erhoben hat, war nichtsdestotrotz Schatten. Wir wissen beide nur zu genau, dass die Unterschiede immer mehr verschwinden, je tiefer man in die Geheimnisse des ältesten Dreigestirns vordringt. Schatten wurde schließlich aus dem Aufeinandertreffen von Licht und Dunkel geboren. Und Meanas schöpft – was seine Essenz anbelangt – aus den Gewirren Thyrllan und Galain, Thyr und Rashan. Es ist, wenn man so will, eine Zwitter-Disziplin.«
»Das sind die meisten magischen Künste, die sterblichen Menschen zur Verfügung stehen, Erwählte. Doch ich fürchte, ich kann nicht so recht verstehen, worum es Euch eigentlich geht.«
Sie zuckte die Schultern. »Nur darum, dass Ihr Eure Schattendiener hierher schickt, um mich auszuspionieren, Bidithal. Wovon hofft Ihr Zeuge zu werden? Ich bin, wie Ihr mich seht.«
Er breitete die Arme aus, den Stab gegen eine Schulter gelehnt. »Vielleicht sind es ja keine Spione, sondern Beschützer.«
»Brauche ich denn so dringend Schutz, Bidithal? Sind Eure Befürchtungen … begründet? Seid Ihr deshalb zu mir gekommen – um mir von ihnen zu berichten?«
»Ich stehe kurz davor, die wahre Natur dieser Bedrohung zu entdecken, Erwählte. Schon bald werde ich in der Lage sein, Euch meine Enthüllungen mitzuteilen. Meine gegenwärtigen Bedenken haben allerdings etwas mit Hohemagier L’oric … und vielleicht auch mit Geisterhand zu tun.«
»Aber Ihr werdet doch gewiss nicht vermuten, dass einer der beiden an der Verschwörung teilhat, oder?«
»Nein, aber ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass hier noch andere Mächte am Werk sind. Wir befinden uns inmitten einer Konvergenz, Erwählte, und das nicht nur im Hinblick auf uns und die Malazaner.«
»In der Tat.«
»Geisterhand ist nicht mehr der, der er einst war. Er ist wieder ein Priester.«
Sha’ik zog in offenem Unglauben die Augenbrauen hoch. »Fener ist fort, Bidithal – «
»Es geht nicht um Fener. Doch bedenkt dies. Der Gott des Krieges ist entthront worden. Ein anderer ist an seine Stelle getreten, als die Not es verlangt hat. Der Tiger des Sommers, der einst Treach war, der Erste Held. Ein Wechselgänger aus dem Ersten Imperium … ist nun ein Gott. Erwählte, sein Bedarf an sterblichen Kämpen und
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