SdG 07 - Das Haus der Ketten
Galionsfigur. Kurald Thyrllan mag verletzlich erscheinen, aber das ist es nicht.«
»Und was ist, wenn diese Deragoth tatsächlich Diener der Dunkelheit sind? Bleibst du auch dann noch bei deinen Behauptungen, Vater?«
Osric schwieg und ging dann auf die offene Tür zu. »Es ist alles ihre Schuld«, murmelte er, als er an seinem Sohn vorbeiging.
L’oric folgte seinem Vater nach draußen. »Dieser … Aussichtsturm, stammt er von den Jaghut?«
»Ja.«
»Und wo sind sie?«
»Im Westen. Im Süden. Im Osten. Aber nicht hier – ich habe keinen einzigen gesehen.«
»Du weißt nicht, wo sie sind, stimmt’s?«
»Sie sind nicht in dieser Erinnerung, L’oric. So sieht es aus. Und jetzt bleib zurück.«
Der Hohemagier blieb neben dem Turm stehen und schaute zu, wie sein Vater seine Drachengestalt annahm. In der Luft hing plötzlich ein süßer, würziger Duft, und vor L’orics Augen verschwammen die Umrisse von Osrics Gestalt. Genau wie Anomander Rake war sein Vater mehr Drache als alles andere. Sie waren Verwandte im Blut, wenn nicht gar in ihrer Persönlichkeit. Ich wünschte, ich könnte diesen Mann – meinen Vater – verstehen. Hol mich die Königin, ich wünschte, ich könnte ihn sogar mögen. Er trat vor.
Der Drache hob eine seiner vorderen Gliedmaßen, öffnete die Krallen.
L’oric runzelte die Stirn. »Ich würde lieber auf deinen Schultern reiten, Vater – «
Doch die schuppige Hand streckte sich und umschloss ihn.
Er beschloss, die unwürdige Situation schweigend zu ertragen.
Osric flog der Küstenlinie folgend westwärts. Es dauerte nicht lang, und ein Wald tauchte auf. Das Land erstreckte sich gen Norden. Die Luft, die zwischen den schuppigen Fingern des Drachen hindurchpeitschte, wurde erst kalt, dann eisig. Der Boden unter ihnen begann anzusteigen, die Bäume auf den Bergflanken waren jetzt überwiegend Nadelbäume. Dann sah L’oric Schnee, der wie gefrorene Flüsse in Spalten und Klüfte hineinreichte.
Er konnte sich an keine zukünftigen Berge erinnern, die zu diesem alten Szenario gepasst hätten. Vielleicht trügt auch diese Erinnerung, genau wie so viele andere.
Osric begann tiefer zu gehen – und L’oric sah plötzlich eine riesige weiße Leere, als sei der Berg, der vor ihnen aufragte, säuberlich in zwei Hälften geteilt worden. Sie näherten sich der Kante.
Ein relativ ebener, von verharschtem Schnee bedeckter Streifen war das Ziel des Drachen. Die südliche Seite wurde von einer steilen Klippe überragt. Im Norden war … nichts als trübes Vergessen.
Mit peitschenden Schwingen, die Wolken aus pulverigem Weiß aufwirbelten, schwebte Osric einen Augenblick in der Luft, ehe er L’oric losließ.
Der Hohemagier landete in hüfthohem Schnee. Fluchend suchte er nach einem festeren Standplatz, während der riesige Drache sich mit einem Knirschen, das alles erzittern ließ, neben ihm niederließ.
Osric nahm schnell wieder seine Liosan-Gestalt an; der Wind zerrte an seinen Haaren, als er zu L’oric trat.
Am nahezu verblassten Rand der Erinnerung waren … Dinge. Einige von ihnen bewegten sich kläglich. Osric stapfte durch den tiefen Schnee auf sie zu. Er sprach, noch bevor er sie erreicht hatte. »Aus dem Nichts kommen immer wieder Kreaturen herausgetorkelt. Du wirst sie überall entlang des Wegs finden. Die meisten von ihnen sterben schnell, doch einige halten auch länger durch.«
»Was sind das für Wesen?«
»Größtenteils Dämonen.«
Osric änderte leicht die Richtung, näherte sich einer solchen Kreatur, von der Dampf aufstieg. Ihre vier Gliedmaßen bewegten sich, Krallen kratzten durch den Matsch, der sie umgab.
Vater und Sohn blieben vor dem Wesen stehen.
Es war ungefähr so groß wie ein Hund und reptilienartig, mit vier affenähnlichen Händen. Ein breiter, flacher Kopf mit einem breiten Maul, zwei Schlitze als Nüstern, und vier feuchte, leicht vorquellende, rautenförmig angeordnete Augen mit senkrechten Pupillen, die in dem blendenden, weißen Schnee erstaunlich offen wirkten.
»Der hier könnte zu Kurald Thyrllan passen«, meinte Osric.
»Was für eine Art von Dämon ist das?«, fragte L’oric, während er auf die Kreatur hinunterstarrte.
»Ich habe keine Ahnung«, erwiderte Osric. »Strecke deine Fühler nach ihm aus. Sieh nach, ob er gefügig ist.«
»Vorausgesetzt, er hat überhaupt Verstand«, murmelte L’oric und kauerte sich hin.
Kannst du mich hören? Kannst du mich verstehen?
Die vier Augen blinzelten zu ihm auf. Und dann antwortete das
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