SdG 07 - Das Haus der Ketten
schulterlangen schwarzen Haar und Augen von der Farbe des Himmels. Mosel war hager, und seine Augenfalten zeugten von kanesischem Blut in seiner Ahnenreihe. Sein Haar war auf Fingerlänge geschnitten und dann in der Art der Jakataka-Piraten zu Zöpfchen geflochten. Tugg war der Größte von den dreien, bewaffnet mit einer kurzschäftigen Axt. Der Schild, den er sich auf den Rücken geschnallt hatte, war riesig – zinnüberzogenes Hartholz, mit Bronze eingefasst.
»Wer von euch ist Saiten?«, fragte Mosel.
»Ich. Warum?«
Der Neuankömmling zuckte die Schultern. »Nichts. Ich hab’s mich einfach nur gefragt. Und du« – er nickte Gesler zu – »bist der Bursche von der Küstentruppe … Gesler.«
»Das bin ich. Und?«
»Nichts.«
Einen Augenblick lang herrschte unbehagliche Stille, dann meldete sich Tugg zu Wort. Seine Stimme klang dünn, was – wie Saiten vermutete – wahrscheinlich etwas mit einer Kehlkopfverletzung zu tun hatte. »Wir haben gehört, dass die Mandata morgen zu der Mauer will. Mit diesem Schwert. Und was dann? Sticht sie einfach hinein? Das ist ein Sandsturm, nichts zum Reinstechen. Und sind wir nicht schon in der Raraku? Der Heiligen Wüste? Ich fühle mich nicht anders und sehe auch nicht irgendwie anders aus. Warum haben wir nicht einfach auf sie gewartet? Oder lassen sie hier, in diesem verdammten Ödland, einfach verrotten? Sha’ik will ein Reich aus Sand – na, dann soll sie’s doch haben!«
Es war quälend, seiner gebrochenen Stimme zuzuhören, und es kam Saiten vor, als würde der große Sergeant nie mehr aufhören zu reden. »Das sind viele Fragen«, sagte er deshalb, sobald Tugg eine Pause machte, um pfeifend Luft zu holen. »Wir können dieses Reich aus Sand nicht einfach sich selbst überlassen, Tugg, denn es ist eine Fäulnis, und die wird sich ausbreiten – wir würden das ganze Reich der Sieben Städte verlieren. Es ist schon viel zu viel Blut vergossen worden, um es überhaupt erst zu erobern, als dass wir es so leicht wieder aufgeben könnten. Und wir sind zwar schon in der Raraku, aber gerade mal an ihrem äußersten Rand. Die Raraku mag eine Heilige Wüste sein, aber sie sieht genauso aus wie alle anderen. Wenn sie über Macht verfügt, dann liegt diese Macht in dem, was sie nach einer Weile mit dir macht. Vielleicht auch nicht in dem, was sie macht, sondern was sie gibt. Es ist nicht leicht zu erklären.« Er zuckte die Schultern und hustete.
Gesler räusperte sich. »Die Mauer des Wirbelwinds besteht aus Zauberei, Tugg, das Schwert der Mandata aus Otataral. Zwischen den beiden wird es einen Zusammenprall geben. Wenn das Schwert versagt, gehen wir alle nach Hause … oder zurück nach Aren – «
»Da hab ich aber was anderes gehört«, sagte Moak. Er machte eine kurze Pause, um auszuspucken, ehe er fortfuhr: »Wenn wir die Mauer nicht durchbrechen können, wenden wir uns erst nach Osten und dann nach Norden. Gehen nach G’danisban oder vielleicht auch nach Ehrlitan, um dort auf Dujek Einarm und Hohemagier Tayschrenn zu warten. Ich habe sogar gehört, dass möglicherweise auch Graumähne von dem Feldzug in Korelri zurückgerufen wird.«
Saiten starrte den Mann an. »In wessen Schatten hast du gestanden, Moak?«
»Nun, es ergibt doch einen Sinn, oder nicht?«
Seufzend stand Saiten auf. »Das ist alles eine Verschwendung von Atemluft, Soldaten. Früher oder später werden wir alle dumm dreinschauend da reinmarschieren.« Er stand auf und ging dorthin, wo sein Trupp die Zelte aufgeschlagen hatte.
Seine Soldaten hatten sich alle um Buddl versammelt – sogar Krake war dabei –, der im Schneidersitz dahockte und mit dürren Zweigen und Stöcken zu spielen schien.
Saiten blieb wie erstarrt stehen, ein unheimlicher Schauer durchrann ihn. Bei den Göttern hienieden, für einen Augenblick habe ich wirklich gedacht, ich sehe den Schnellen Ben mitsamt Elsters Trupp, wie sie um ein verdammt gefährliches Ritual rumhocken … Er konnte ein schwaches Singen von irgendwo in der Wüste außerhalb des Lagers hören, ein Singen, das wie eine Schwertschneide durch das Tosen des Wirbelwinds schnitt. Der Sergeant schüttelte den Kopf und trat zu seinen Leuten.
»Was machst du da, Buddl?«
Der junge Mann blickte schuldbewusst auf. »Oh, äh, eigentlich nichts, Sergeant – «
»Er versucht sich an einer Weissagung«, knurrte Krake, »und soweit ich sagen kann, kommt nichts dabei raus.«
Saiten hockte sich langsam Buddl gegenüber in die Runde. »Interessanter Ansatz, mein
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