SdG 07 - Das Haus der Ketten
in der Dunkelheit, er wurde belagert. Stimmen griffen von allen Seiten nach ihm und stürmten auf seinen Schädel ein. Es reichte noch nicht, dass er für den Tod einiger Soldaten verantwortlich war; jetzt würden sie ihn nicht mehr allein lassen. Jetzt riefen ihre Geister nach ihm, geisterhafte Hände reckten sich durch das Tor des Vermummten, Finger krallten sich in sein Hirn.
Gamet wollte sterben. Er war mehr als einfach nur nutzlos gewesen. Er hatte sich als Belastung erwiesen, gesellte sich damit zu den vielen unfähigen Befehlshabern, die Ströme aus Blut hinter sich zurückgelassen hatten, ein weiterer Name in jener befleckten, erniedrigenden Geschichte, die die schlimmsten Befürchtungen der gemeinen Soldaten nährte.
Und es hatte ihn wahnsinnig gemacht. Das verstand er jetzt. Die Stimmen, die lähmende Unsicherheit, die Tatsache, dass ihm immer kalt war, dass er zitterte, ganz egal, wie heiß die Sonne am Tag brannte oder wie hoch nachts das Feuer loderte. Und die Schwäche, die sich in seine Glieder stahl, das Blut in seinen Adern verdünnte, bis es sich anfühlte, als pumpte sein Herz nur noch schlammiges Wasser durch seine Adern. Ich wurde gebrochen. Ich habe die Mandata schon bei der ersten Mutprobe im Stich gelassen.
Keneb wäre in Ordnung. Keneb war eine gute Wahl als neue Faust der Legion. Er war noch nicht zu alt, und er hatte Familie – Menschen, für die es sich zu kämpfen lohnte, Menschen, zu denen er zurückkehren wollte, die in seinem Leben wichtig waren. Das waren bedeutende Dinge. Ein notwendiger Druck, Feuer für das Blut. In Gamets Leben gab es nichts von alledem.
Sie hat mich bestimmt niemals gebraucht, oder? Die Familie hat sich selbst zerrissen, und ich konnte nichts dagegen tun. Ich war nur ein Kastellan, der hochgejubelte Anführer der Garde eines Adelshauses. Der Befehle ausgeführt hat. Selbst als ich Felisins Schicksal durch ein einziges Wort hätte ändern können, habe ich nur salutiert und »ja, Herrin« gesagt.
Doch er hatte immer von seiner Schwäche gewusst. Und es hatte mehr als genug Gelegenheiten gegeben, bei denen er seine Fehler, seine Schwächen hatte vorführen können. Mehr als genug, selbst wenn sie solche Augenblicke als Beweise seiner Loyalität gewertet hatte, als das disziplinierte Entgegennehmen von Befehlen, unabhängig davon, wie grässlich ihr Ergebnis auch sein würde.
»Laut.«
Eine neue Stimme. Blinzelnd schaute er sich zunächst um, dann nach unten – wo er Wühler entdeckte, Kenebs adoptiertes Balg. Halb nackt, die sonnengebräunte Haut dreckverschmiert, die Haare wirr und verfilzt. Seine Augen glitzerten im Licht der Sterne.
»Laut.«
»Ja, das sind sie.« Das Kind war wild. Es war schon spät, vielleicht würde schon bald der Morgen heraufdämmern. Was machte der Kleine hier draußen, jenseits der Vorposten des Lagers, wo er jederzeit von einem Wüstenkrieger umgebracht werden konnte?
»Nicht sie. Er.«
Gamet starrte stirnrunzelnd auf ihn hinunter. »Wovon redest du? Was ist laut?« Ich höre nur Stimmen – aber die kannst du nicht hören. Natürlich kannst du sie nicht hören.
»Der Sandsturm. Er brüllt. Sehr … sehr … sehr sehr sehr LAUT!«
Der Sturm? Gamet wischte sich Staubkörnchen aus den Augen und sah sich um – und stellte fest, dass er keine fünfzig Schritt mehr von der Mauer des Wirbelwinds entfernt war. Und das Geräusch des Sands, der am Boden zwischen Felsen dahinraste, in wilden, tanzenden Schleifen himmelwärts zischte, die Kieselsteine, die hier und da prasselten, der Wind selbst, der durch eigenartig geformte Vorsprünge im Kalkstein wirbelte – das Geräusch klang wie … wie Stimmen. Schreiende, wütende Stimmen. »Ich bin nicht verrückt.«
»Ich auch nicht. Ich bin glücklich. Vater hat einen neuen, schimmernden Ring. Um seinen Arm. Mit Gravierungen. Er sollte eigentlich mehr Befehle geben, aber er gibt weniger. Aber ich bin immer noch glücklich. Er schimmert sehr schön. Magst du schimmernde Dinge? Ich mag sie, auch wenn sie mir in den Augen wehtun. Vielleicht mag ich sie ja auch, gerade weil sie mir in den Augen wehtun. Was glaubst du?«
»Ich denke nicht mehr viel über irgendetwas nach, mein Junge.«
»Ich glaube, du denkst zu viel.«
»Oh, tatsächlich?«
»Vater glaubt das Gleiche. Du denkst über Dinge nach, über die nachzudenken sinnlos ist. Es macht keinen Unterschied. Aber ich weiß, warum du das tust.«
»Das weißt du?«
Der Junge nickte. »Aus dem gleichen Grund, weshalb ich schimmernde
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