SdG 07 - Das Haus der Ketten
so spät in der Trockenzeit fast ausgetrocknet. Nachdem er das Rinnsal durchquert hatte, war er nach Nordosten geritten, bis er auf die Pfade stieß, die die Südflanke des Thalas-Gebirges umgingen, und dann nach Osten, auf die Stadt namens Lato Revae zu, die genau am Rand der Heiligen Wüste lag.
Er überquerte, jeden Kontakt vermeidend, die Straße südlich der Stadtmauer bei Nacht und erreichte den Pass, der in die Raraku führte, als der Morgen des nächsten Tages heraufdämmerte.
Ein Gefühl der Dringlichkeit trieb ihn an. Er konnte sich diesen Drang nicht erklären, aber er stellte ihn auch nicht in Frage. Er war lange Zeit weggewesen, und obwohl er nicht glaubte, dass die Schlacht in der Raraku schon geschlagen worden war, so spürte er doch, dass sie unmittelbar bevorstand.
Und Karsa wollte dort sein. Nicht um Malazaner zu töten, sondern um Leoman den Rücken zu decken. Doch es gab auch noch eine dunklere Wahrheit, wie er sehr wohl wusste. Die Schlacht würde ein Tag des Chaos sein, und Karsa Orlong wollte dieses Chaos noch vergrößern. Sha’ik hin oder her, es gibt welche in ihrem Lager, die nichts anderes als den Tod verdienen. Und ich werde ihnen den Tod bringen. Er machte sich nicht die Mühe, eine Liste mit den Gründen zusammenzustellen – Beleidigungen, offene Verachtung, begangene Verbrechen. Er war lange genug gleichgültig gewesen, gleichgültig gegenüber so vielen Dingen. Er hatte die größten Stärken seines Geistes im Zaum gehalten, darunter seinen Wunsch, Urteile zu fällen und in echter Teblor-Manier entschlossen im Sinne besagter Urteile zu handeln.
Ich habe ihre Betrügereien und ihre Bosheit lange genug ertragen. Jetzt wird mein Schwert ihnen eine Antwort erteilen.
Der Toblakai-Krieger war sogar noch weniger daran interessiert, eine Liste mit Namen zu erstellen, denn Namen luden zu Schwüren ein, und er hatte genug von Schwüren. Nein, er würde töten, wie es seiner Stimmung entsprach.
Er freute sich auf seine Heimkehr.
Vorausgesetzt, er kam noch rechtzeitig an.
Während er die Hänge hinabritt, die hinunter in die Heilige Wüste führten, war er erleichtert, weit im Norden und Osten den roten Kamm der Raserei zu sehen, der die Mauer des Wirbelwinds war. Nur noch wenige Tage.
Er lächelte angesichts dieser weit entfernten Wut, denn er verstand ihn. So lange war die Göttin eingesperrt – angekettet – gewesen … nun würde sie bald ihren Zorn entfesseln. Er spürte ihren Hunger, so greifbar wie der der beiden Seelen in seinem Schwert. Hirschblut war einfach zu dünn.
Er parierte Havok bei einem Lagerplatz am Rande einer Salzfläche. Die Hänge hinter ihm würden sein Pferd mit dem letzten Futter und Wasser auf dieser Seite der Mauer des Wirbelwinds versorgen, daher würde er hier einige Zeit verbringen und Gras für die Weiterreise sammeln sowie die Wasserschläuche an der Quelle füllen, die gerade mal zehn Schritt vom Lager entfernt lag.
Er machte ein Feuer, wobei er den letzten Bhederin-Dung aus der Jhag-Odhan benutzte – etwas, das er nur selten tat –, und nachdem er gegessen hatte, öffnete er den Beutel, der die zerstörte T’lan Imass enthielt, und zog die Überreste zum ersten Mal heraus.
»Du bist ganz versessen darauf, mich loszuwerden, oder?«, fragte ’Siballe mit trockener, krächzender Stimme.
Er grunzte, starrte auf die Kreatur hinunter. »Wir sind weit gereist, Ungefundene. Es ist lange her, dass ich dich das letzte Mal angesehen habe.«
»Und warum schaust du mich dann jetzt an, Karsa Orlong?«
»Ich weiß es nicht. Ich bedauere es bereits.«
»Ich habe das Sonnenlicht durch den Stoff gesehen. Es ist der Dunkelheit vorzuziehen.«
»Warum sollte es mich interessieren, was du vorziehst?«
»Weil wir zum gleichen Haus gehören, Karsa Orlong. Zum Haus der Ketten. Unser Herr – «
»Ich habe keinen Herrn«, knurrte der Teblor.
»Ganz wie du willst«, erwiderte ’Siballe. »Der Verkrüppelte Gott erwartet von dir nicht, dass du niederkniest. Er erteilt seinem Todbringenden Schwert keine Befehle … seinem Ritter der Ketten – denn das bist du, das ist die Rolle, für die du von Anfang an geformt worden bist.«
»Ich gehöre nicht zu diesem Haus der Ketten, T’lan Imass. Und ich werde auch keinen weiteren falschen Gott annehmen.«
»Er ist nicht falsch, Karsa Orlong.«
»Er ist genauso falsch wie du«, sagte der Krieger und bleckte die Zähne. »Soll er sich doch vor mir erheben – dann wird mein Schwert an meiner Stelle sprechen. Du hast
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