SdG 07 - Das Haus der Ketten
ausgedacht?«
»Kann ich nicht sagen«, erwiderte Balsam. »Gib einem Kleinkind ein Messer … wer weiß, was dann passiert.«
Saiten musterte den Mann einen Augenblick lang und grunzte dann. »Du wolltest mit mir über irgendetwas sprechen?«
Balsam zuckte die Schultern. »Eigentlich nicht. Aber irgendwie doch. Was hältst du von den neuen Einheiten des Hauptmanns? Scheint mir ein bisschen spät für solche Veränderungen …«
»So neu ist das Ganze eigentlich nicht. Graumähnes Legionen werden manchmal auf diese Weise aufgestellt. Jedenfalls hat unsere neue Faust zugestimmt.«
»Keneb. Bin mir nicht sicher, was ihn angeht.«
»Aber was unseren frisch gebackenen Hauptmann angeht?«
»Klar, da bin ich mir sicher. Er ist ein Adliger, dieser Ranal. Das reicht.«
»Und das heißt?«
Balsam schaute weg und blickte einem Vogel nach, der in einiger Entfernung dahinzog. »Oh, nur dass er wahrscheinlich dafür sorgen wird, dass wir alle drauf gehen.«
Aha. »Sprich lauter. Das haben nicht alle gehört.«
»Das brauch ich nicht, Saiten. Sie denken das Gleiche.«
»Das Gleiche zu denken ist nicht dasselbe, wie das Gleiche zu sagen.«
Gesler, Borduke und die Sergeanten des Elften und des Zwölften Trupps kamen herbei, und es gab eine kleine Vorstellungsrunde. Moak vom Elften war ein Falari wie Saiten, und seine Haare und der Bart waren ebenfalls kupferfarben. Eine Lanze war früher einmal seinen Rücken heruntergeschrammt, von der Schulter bis zur Hüfte, und trotz aller Bemühungen der Heiler hatte er Probleme mit schlecht verheilten Muskeln. Der Sergeant der Zwölften, Thom Tissy, war untersetzt, mit einem Gesicht, das einer weiblichen Kröte vielleicht hübsch vorgekommen wäre; seine Wangen waren voller Pockennarben und seine Handrücken von Warzen übersät. Außerdem war er – wie die anderen sahen, als er seinen Helm abnahm – so gut wie kahl.
Moak blinzelte Saiten einen langen Moment zu, als wollte er ein Wiedererkennen heraufbeschwören, dann zog er eine Gräte aus seiner Gürteltasche und fing an, in seinen Zähnen herumzustochern. »Hat noch jemand von diesem Supersoldaten gehört? Schwere Infantrie, weiß nicht genau, welche Kompanie, weiß noch nicht mal, welche Legion. Heißt Neffarias Bredd. Ich habe gehört, er soll achtzehn Wüstenräuber getötet haben – alle in einer Nacht.«
Saiten hob den Kopf und wechselte einen raschen Blick mit Gesler, doch keiner der beiden Männer verzog das Gesicht.
»Ich habe gehört, in der einen Nacht waren’s achtzehn, in der nächsten dreizehn«, sagte Thom Tissy. »Wir werden die Flachhirne fragen müssen, wenn sie auftauchen.«
»Nun«, meinte Saiten, »eins davon ist doch schon hier.« Er hob die Stimme. »Blitzgescheit! Komm doch mal ’nen Augenblick zu uns rüber, wenn’s dir nichts ausmacht, ja?«
Der Boden schien zu erzittern, als die Frau näher kam. Sie war eine Napanesin, und Saiten fragte sich, ob sie wohl wusste, dass sie eine Frau war. Die Muskeln an ihren Armen waren kräftiger als seine Oberschenkel. Sie hatte sich die Haare abgeschnitten, ihr rundes Gesicht war frei von jedem Schmuck, abgesehen von einem bronzenen Nasenring. Doch ihre smaragdgrünen Augen waren verblüffend schön.
»Sag mal, Blitzgescheit, hast du von Neffarias Bredd gehört? Das ist doch auch einer von euch Schweren?«
Die außergewöhnlichen Augen weiteten sich. »Hat fünfzig Räuber erledigt, heißt es.«
»In welcher Legion ist er?«, fragte Moak.
Sie zuckte die Schultern. »Weiß nich.«
»Dann wohl nicht in unserer.«
»Bin mir nich sicher.«
»Nun«, schnappte Moak, »was weißt du denn überhaupt?«
»Er hat fünfzig Räuber erledigt. Kann ich jetzt gehen? Ich muss pissen.«
Sie schauten ihr hinterher, als sie davonging.
»Ob sie’s wohl im Stehen macht?«, fragte Thom Tissy in die Runde.
Moak stieß ein Schnauben aus. »Warum gehst du nicht hinterher und fragst sie?«
»Bin nicht so wild darauf, kaltgemacht zu werden. Warum tust du’s nicht, Moak?«
»Da kommen die Sergeanten der Schweren«, bemerkte Balsam.
Mosel, Sobelone und Tugg hätten Geschwister sein können. Sie stammten alle drei aus Malaz und waren typische Vertreter jenes Menschenschlags, der auf der Insel vorherrschte – Mischlinge, in deren Adern das Blut der unterschiedlichsten Rassen floss. Die bedrohliche Aura um sie herum hatte weniger mit ihrer Größe als mit ihrem Auftreten zu tun. Sobelone war die Älteste von den dreien, eine streng aussehende Frau mit grauen Strähnen im
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