SdG 07 - Das Haus der Ketten
gefangen gehalten. Und daher fühlte sie sich immer noch wie zwei Frauen und nicht eine, obwohl der Gott schon lange nicht mehr da war.
Was sie auf die Frage brachte, in welche dieser beiden Frauen Crokus sich wohl verliebt hatte.
Aber nein, das war kein Geheimnis. Schließlich hatte er den Habitus eines Mörders angenommen. Der junge, naive Dieb aus Darujhistan hatte aus sich ein grässliches Spiegelbild gemacht – nicht von Apsalar, dem Fischermädchen, sondern von Apsalar, der Assassine, der eiskalten Mörderin. In der Überzeugung, dass einander zu gleichen das stärkste Band zwischen ihnen knüpfen würde. Vielleicht wäre er damit sogar erfolgreich gewesen, wenn sie ihren Beruf gemocht hätte, wenn sie ihn nicht schmutzig und tadelnswert gefunden hätte. Wenn es sich nicht angefühlt hätte, als würden sich Ketten eng um ihre Seele winden.
Gesellschaft in ihrem Gefängnis zu haben, bot ihr keinen Trost. Seine Liebe galt der falschen Frau, der falschen Apsalar. Und ihre galt Crokus, nicht Schlitzer. Und so waren sie zusammen und doch weit voneinander entfernt, Vertraute und doch Fremde, und es schien, als könnten sie nichts daran ändern.
Die Assassine in ihr zog die Einsamkeit vor, und das Fischermädchen war – über einen vollkommen anderen Weg – an einen ähnlichen Punkt gelangt. Erstere konnte es sich nicht erlauben zu lieben. Letztere wusste, dass sie nie geliebt worden war. Wie Crokus im Schatten eines Mörders stand, so stand sie im Schatten einer Mörderin.
Es hatte keinen Sinn, darüber zu klagen. Das Fischermädchen war nicht in der Lage, den unerbittlichen Willen der Assassine herauszufordern. Wahrscheinlich hatte Crokus sich Schlitzer auf ähnliche Weise gefügt.
Sie spürte eine Präsenz an ihrer Seite und murmelte: »Ich wollte, Ihr hättet alles mitgenommen, als Ihr wieder gegangen seid.«
»Es wäre dir lieber gewesen, ich hätte dich beraubt zurückgelassen?«
»Beraubt, Cotillion? Nein. Unschuldig.«
»Unschuld ist nur so lange eine Tugend, Schätzchen, wie sie befristet ist. Du musst sie hinter dir lassen, um einen Blick zurück auf ihre unbefleckte Reinheit werfen zu können. Unschuldig zu bleiben heißt, dich dein ganzes Leben lang zwischen unsichtbaren und unergründlichen Kräften zu winden, bis dir eines Tages klar wird, dass du dich selbst nicht mehr kennst, und du begreifst, dass die Unschuld ein Fluch war, der dich gefesselt hat, dich verkrüppelt hat, der alles zunichte gemacht hat, was deinem Leben hätte Ausdruck verleihen können.«
Sie lächelte in die Dunkelheit. »Aber Cotillion, es ist das Wissen, das uns die eigenen Ketten erkennen lässt.«
»Wissen lässt die Augen nur das sehen, was die ganze Zeit über existiert, Apsalar. Du verfügst über vortreffliche Fähigkeiten. Sie schenken dir Macht, eine Tatsache, die sich kaum leugnen lässt. Du kannst dich nicht selbst ungeschehen machen.«
»Aber ich kann damit aufhören, diesen einen Weg zu beschreiten.«
»Das kannst du«, gab er nach einem kurzen Augenblick zu. »Du kannst dir andere Wege auswählen, doch selbst das Vorrecht, wählen zu können, wurde durch die Eigenschaften derjenigen errungen, die du einmal warst – «
»Die Ihr wart.«
»Und das alles kann auch nicht geändert werden. Ich war in deinen Knochen, deinem Körper, Apsalar. Das Fischermädchen, das zu einer Frau geworden ist – wir haben im Schatten des anderen gestanden … du in meinem und ich in deinem.«
»Und – hat es Euch gefallen, Cotillion?«
»Nicht besonders. Es war schwierig, meine Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Wir waren meistens in guter Gesellschaft – Elster, Fäustel, Fiedler, Kalam … ein Trupp, der dich – wenn er denn die Wahl gehabt hätte – willkommen geheißen hätte. Doch ich habe sie daran gehindert. Das war notwendig, aber weder dir noch ihnen gegenüber gerecht.« Er seufzte und fuhr fort: »Ich könnte endlos darüber sprechen, wie sehr ich das alles bedauere, Mädchen, aber ich sehe, wie die Dämmerung die Dunkelheit stiehlt, und ich brauche deine Entscheidung.«
»Meine Entscheidung? In welcher Hinsicht?«
»In Bezug auf Schlitzer.«
Sie starrte in die Wüste hinaus, spürte, wie sie Tränen zurückblinzeln musste. »Ich werde ihn Euch wegnehmen, Cotillion. Ich werde verhindern, dass Ihr ihm das Gleiche antut, was Ihr mir angetan habt.«
»Bedeutet er dir so viel?«
»Ja, das tut er. Nicht der Assassine in mir, sondern dem Fischermädchen … das er nicht liebt.«
»Tut er das
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