SdG 07 - Das Haus der Ketten
ich mich einer näher liegenden Herausforderung stellen – ich muss lebend aus diesem Lager herauskommen.
Er zögerte noch einen Augenblick auf der Türschwelle und tastete mit all seinen Sinnen in die Dunkelheit hinaus. Als er den Weg frei fand – zumindest die nächsten zwanzig Schritt – schoss er vorwärts.
Nachdem er die Eichel ein letztes Mal zwischen den Fingern gerollt hatte, steckte er sie in eine Falte seiner Schärpe und schlängelte sich aus der Felsspalte.
»Oh, bei den herzlosen Händen des Vermummten …«
Das Lied war jetzt wie ein entfernter Donner, der an seinen Knochen entlangzitterte, und das gefiel ihm ganz und gar nicht. Was noch schlimmer war, in der Oase vor ihm waren Mächte erwacht, die selbst er, der keinerlei Magie oder Zauberei ausübte, wie Feuer in seinem Blut spüren konnte.
Kalam Mekhar überprüfte noch einmal seine Langmesser und schob sie dann zurück in ihre Scheiden. Die Versuchung war groß, die Otataral-Waffe in der Hand zu behalten und so jede Magie abzuwehren, die in seine Richtung geschickt wurde. Aber das funktioniert in beide Richtungen, stimmt’s?
Er musterte den Weg, der vor ihm lag. Das Licht der Sterne wirkte auf merkwürdige Weise gedämpft. Er verließ sich so gut es ging auf seine Erinnerung, an das, was er von seinem Versteck aus tagsüber gesehen hatte. Palmen, deren Stämme geisterhaft wirkten, wie sie über zusammengefallenen Tonziegeln und behauenen Steinen aufragten. Die Überreste von Pferchen, Hürden und Schäferhütten. Streifen aus sandigem Boden, übersät mit verdorrten Palmwedeln und Schalen. Es gab keine neuen Silhouetten, die auf ihn warteten.
Kalam setzte sich in Bewegung.
Ein Stück voraus konnte er die winkligen Umrisse von Gebäuden erkennen, alle niedrig, was darauf hindeutete, dass es sich um Tonziegel-Fundamente handelte, auf denen sich Wände aus Zeltstoff, Weiden- oder Rattangeflecht erhoben. Bewohnte Heimstätten also.
Ein ganzes Stück weiter weg zu seiner Rechten befand sich ein grauer Fleck – der seltsame Wald der steinernen Bäume. Er hatte schon überlegt, ob er sich der Oase durch diesen Wald nähern sollte, doch der Ort hatte etwas Unheimliches, wenig Einladendes an sich, und er vermutete, dass er nicht so leer war, wie es den Anschein hatte.
Während er sich einer offensichtlich häufig benutzten Straße näherte, die zwischen den Hütten hindurchführte, erhaschte er einen blitzschnellen Blick auf eine Bewegung – jemand überquerte den Durchgang von links nach rechts. Kalam ließ sich zu Boden sinken und erstarrte. Eine zweite Gestalt folgte, dann eine dritte, eine vierte und eine fünfte.
Eine Hand. Wer in diesem Lager würde seine Assassinen in Händen organisieren? Er wartete ein halbes Dutzend Herzschläge und setzte dann seinen Weg fort. Er kam an jene Stelle, wo die Mörder die Straße überquert hatten, und folgte ihnen lautlos. Die fünf hielten jeweils sieben Schritt Abstand zueinander, zwei Schritt mehr als das bei einer Hand der Klaue der Fall gewesen wäre. Verdammt! Hat Cotillion das vermutet? Wollte er das von mir bestätigt haben?
Das sind Krallen.
Ob sieben Schritt oder fünf, spielte für Kalam keine große Rolle.
Er kam in Sichtweite des hintersten Assassinen. Der Mann hatte mit Magie behandelte Dinge an sich, die seine Umrisse verschwommen und schwankend aussehen ließen. Er trug dunkelgraue, eng anliegende Kleider, Mokassins, Handschuhe und eine Kapuze. Geschwärzte Dolche schimmerten in seinen Händen.
Dann war er also nicht nur auf Patrouille, sondern auf der Jagd.
Kalam glitt bis auf fünf Schritt an den Mann heran und schoss dann vorwärts.
Sein rechter Arm zuckte vor, seine rechte Hand schloss sich hart um den Mund und das Kinn des Manns, seine linke Hand legte sich gleichzeitig auf den Hinterkopf. Ein wilder Ruck brach dem Assassinen das Genick.
Kalam spürte, wie Speichel und Erbrochenes seinen Lederhandschuh benetzten, doch er lockerte seinen Griff nicht, sondern legte den Leichnam vorsichtig auf den Boden. Erst als er mit gespreizten Beinen über der Leiche stand, ließ er los, wischte seine Hand an dem grauen Hemd ab und setzte sich wieder in Bewegung.
Zweihundert Herzschläge später waren nur noch zwei Krallen übrig. Ihre Route hatte sie auf gewundenen, weitschweifigen Wegen in ein Viertel geführt, das von den Ruinen ehemals großer Tempel geprägt war. Sie hatten am Rand eines großen Platzes Halt gemacht und warteten zweifellos auf ihre Kameraden.
Kalam näherte
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