SdG 07 - Das Haus der Ketten
Pfad, der zur Stadt führte. Kurz darauf war er verschwunden.
Scillara trat näher an Felisin heran und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Der Tod ist immer etwas Entsetzliches«, sagte sie. »Die Betäubung wird vergehen, das verspreche ich dir.«
Doch Felisin schüttelte den Kopf. »Alle außer Leoman«, flüsterte sie.
»Was?«
»Diejenigen, deren Namen er genannt hat. Er wird sie alle töten. Außer Leoman.«
Scillara drehte sich langsam um und blickte den Pfad entlang; ein kühler, abwägender Ausdruck trat auf ihr Gesicht.
Die letzten beiden hatten vier Krieger erledigt und waren bis auf dreißig Schritt an das Zelt herangekommen, bis sie endlich gestorben waren. Mit finsterem Gesicht starrte Mathok auf die mit Armbrustbolzen gespickten, förmlich in Stücke gehauenen Leichname. Sechs versuchte Attentate allein in dieser Nacht, und der erste Glockenschlag musste erst noch ertönen.
Es reicht.
»T’morol, versammle meinen Clan.«
Der stämmige Krieger brummte zustimmend und schritt davon. Mathok zog seine Felle enger um sich und kehrte zu seinem Zelt zurück.
In der bescheidenen Umgebung hielt er einen langen Augenblick, tief in Gedanken versunken, inne. Dann schüttelte er sich und trat zu einer unter einem Fell verborgenen Truhe in der Nähe seines Betts. Er kauerte sich hin, wischte das Fell beiseite und hob den verzierten Deckel hoch.
Im Innern der Truhe lag das Buch von Dryjhna.
Sha’ik hatte es in seine Obhut gegeben.
Um es zu schützen.
Er klappte den Deckel zu und schloss die Truhe ab, hob sie dann auf und ging nach draußen. Er konnte hören, wie seine Krieger in der Dunkelheit das Lager abschlugen. »T’morol.«
»Ja, Kriegshäuptling.«
»Wir reiten hinaus zu Leoman von den Dreschflegeln. Die übrigen Clans sollen Sha’ik bewachen, obwohl ich überzeugt bin, dass sie nicht in Gefahr ist – aber es könnte sein, dass sie sie morgen früh braucht.«
T’morols dunkle Augen waren unverwandt auf Mathok gerichtet; sie wirkten kalt und unempfänglich für jede Art von Überraschung. »Wir werden vor dieser Schlacht davonreiten, Kriegshäuptling?«
»Um das Heilige Buch zu bewahren, könnte eine solche Flucht notwendig sein, alter Freund. Und wenn die Morgendämmerung kommt, treiben wir uns … direkt am Scheitelpunkt herum.«
»Um den Wind abzuschätzen.«
»Ja, T’morol, um den Wind abzuschätzen.«
Der bärtige Krieger nickte. »Die Pferde werden schon gesattelt. Ich werde dafür sorgen, dass die Vorbereitungen rasch abgeschlossen werden.«
Heboric lauschte in die Stille. Nur seine Knochen konnten das kribbelnde Summen eines zauberischen Netzes spüren, das die gesamte Oase mitsamt der Ruinenstadt umspannte. Die Vibrationen schwollen an und ebbten ab, als verschiedene Kräfte sich über das Netz zu bewegen begannen und es dann mit wilder Gleichgültigkeit zerrissen.
Er erhob sich von seinem Lager, ächzte angesichts der stechenden Schmerzen zwangsgeheilter Wunden und kam wacklig auf die Beine. Die Glut in der Kohlenpfanne war erloschen. Die Düsternis fühlte sich fest an und schien nur widerwillig zurückzuweichen, als er sich auf den Weg zur Tür machte. Heboric bleckte die Zähne. Seine krallenbewehrten Hände zuckten.
Geister suchten die tote Stadt heim. Selbst die Götter schienen nah, angelockt, um zu verfolgen, was geschehen würde. Um es zu beobachten oder die Gunst des Augenblicks zu nutzen und selbst zu handeln. Ein Stups hier, ein Zupfen da, und sei es nur, um das eigene Ego zu befriedigen … und sei es nur, um einmal zu sehen, was vielleicht passiert. Das waren die Spiele, die er verabscheute, die Quelle seines heftigsten Aufbegehrens vor all den Jahren. Die Substanz seines Verbrechens, wenn es denn ein Verbrechen gewesen war.
Und deshalb haben sie mir meine Hände genommen.
Bis ein anderer Gott sie ihm zurückgegeben hatte.
Treach war ihm, wie ihm jetzt klar wurde, gleichgültig. Trotz der Geschenke, die er erhalten hatte, diente er dem neuen Gott des Krieges nur widerwillig als Destriant. Und auch seine Wünsche hatten sich nicht verändert. Die Otataral-Insel und der Jaderiese – das sind die Dinge, die mich erwarten. Die Rückkehr der Macht. Selbst als diese letzten Worte durch seinen Geist zogen, wusste er, dass Falschheit in ihnen mitschwang. Ein Geheimnis, das er kannte, dem er jedoch keine Form geben konnte. Zumindest jetzt noch nicht. Vielleicht auch erst, wenn er in dem Ödland stünde, im Schatten jenes krummen Turms.
Aber zuerst muss
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