SdG 07 - Das Haus der Ketten
kleines Stückchen von ihm ab.
»Oder … das gilt zumindest für die Toten. Wir Übrigen, wir … drücken uns einfach. Hier, in der Sphäre der Sterblichen.«
»Dann erwartest du also, bald zu sterben?«
Fiedler grunzte. »Das habe ich nicht vor.«
»Gut, denn wir sehen’s gern, wenn’s unserem Sergeanten gut geht.«
Der Seti ging wieder davon. Fiedler richtete den Blick erneut auf die entfernte Oase. Danke, mein Junge. Er kniff die Augen zusammen, doch die Dunkelheit widersetzte sich ihm. Irgendetwas geschah da drüben. Es fühlt sich an, als ob … als ob Freunde kämpfen würden. Ich kann fast die Geräusche einer Schlacht hören. Fast.
Plötzlich schallte ein zweistimmiges Geheul durch die Nacht.
Fiedler war unverzüglich auf den Beinen. »Beim Atem des Vermummten!«
»Bei den Göttern, was war das denn?« Die Frage war von Lächeln gekommen.
Nein. Das kann nicht sein. Aber …
Und dann begann sich die Dunkelheit über der Oase zu verändern.
Die Reihe aus berittenen Kriegern tauchte inmitten wirbelnder Staubschleier vor ihnen auf, die Pferde stampften und warfen voll nervöser Furcht die Köpfe zurück.
Neben ihm hob Leoman von den Dreschflegeln eine Hand, um seine Kompanie zum Halten zu bringen, und winkte dann Corabb, ihm zu folgen, als er sein Pferd auf die Neuankömmlinge zulenkte.
Mathok nickte grüßend. »Wir haben dich vermisst, Leoman – «
»Mein Schamane ist bewusstlos geworden«, unterbrach ihn Leoman. »Er hat das Vergessen dem Entsetzen vorgezogen. Was geht in der Oase vor, Mathok?«
Der Kriegshäuptling vollführte eine abwehrende Geste. »Die Raraku ist erwacht. Geister haben sich erhoben, die Erinnerungen der Heiligen Wüste.«
»Und wer ist ihr Feind?«
Mathok schüttelte den Kopf. »Verrat und noch einmal Verrat, Leoman. Ich habe meine Krieger aus der Oase abgezogen und sie zwischen Sha’ik und den Malazanern ein Lager aufschlagen lassen. Alles andere wird vom Chaos beansprucht – «
»Dann hast du also keine Antwort für mich?«
»Ich fürchte, die Schlacht ist bereits verloren – «
»Und Sha’ik?«
»Ich habe das Buch dabei. Ich habe geschworen, es zu schützen.«
Leoman runzelte die Stirn.
Corabb bewegte sich etwas im Sattel und starrte mit düsterem Blick nach Nordosten. Eine übernatürliche Dunkelheit hüllte die Oase ein, und sie schien zu schwärmen, als sei sie von lebenden Kreaturen erfüllt, geflügelten Schatten, geisterhaften Dämonen. Und auf der Erde darunter glaubte er unzählige Soldaten sich bewegen zu sehen. Corabb erschauerte.
»Gehst du nach Y’Ghatan?«, fragte Leoman.
Mathok nickte. »Mit meinem eigenen Stamm als Eskorte. Ich lasse fast neuntausend Wüstenkrieger zu deiner Verfügung zurück … du hast jetzt den Befehl über sie.«
Doch Leoman schüttelte den Kopf. »Dies ist die Schlacht der Hundeschlächter, Mathok. Ich habe keine andere Möglichkeit. Ich habe keine Zeit, unsere Taktik wirklich zu verändern. Die Positionen sind eingenommen – sie hat zu lange gewartet. Du hast mir eine Frage noch nicht beantwortet, Mathok. Was ist mit Sha’ik?«
»Die Göttin beherrscht sie noch immer«, erwiderte der Kriegshäuptling. »Selbst Korbolo Doms Assassinen kommen nicht an sie heran.«
»Der Napanese muss gewusst haben, dass das geschehen würde«, murmelte Leoman. »Und deshalb hat er … noch etwas anderes geplant.«
Mathok schüttelte den Kopf. »Mein Herz wurde in dieser Nacht gebrochen, mein Freund.«
Leoman musterte den alten Krieger mehrere Herzschläge lang und nickte schließlich. »Dann bis Y’Ghatan, Mathok.«
»Und du reitest zu Sha’ik?«
»Das muss ich.«
»Sag ihr – «
»Das werde ich.«
Mathok nickte; er achtete nicht auf die Tränen, die seine zerfurchten Wangen hinunterrannen. Plötzlich reckte er sich in seinem Sattel. »Dryjhna hat einst zu uns gehört, Leoman. Zu den Stämmen der Wüste. Die Prophezeiungen des Buchs waren auf eine viel ältere Haut aufgetragen worden. Das Buch war in Wirklichkeit nichts weiter als eine geschichtliche Erzählung, eine Überlieferung von apokalyptischen Ereignissen, die überdauert haben – nicht welchen, die noch kommen sollten – «
»Ich weiß, mein Freund. Bewache das Buch gut und gehe in Frieden.«
Mathok riss sein Pferd herum und lenkte es auf den Westpfad. Eine wütende Geste, dann folgten ihm seine Reiter, als er in die Düsternis davonritt.
Leoman starrte eine ganze Weile hinter ihnen her.
Geheul zerriss die Nacht.
Corabb sah, wie sein Kommandant
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