SdG 07 - Das Haus der Ketten
Geräusche durch ihn hindurch, wurden lauter und leiser; der Rhythmus wurde schneller, als ein schwaches rötliches Glimmen das Grün zu beflecken begann. Er konnte sich nicht umdrehen, aber er musste es auch nicht, um zu wissen, dass die Wunde sie alle binnen weniger Augenblicke verschlingen würde.
Dann hörte er ein paar Worte inmitten des Tumults, so nah, als wären sie ihm ins Ohr geflüstert worden, und er konnte sie verstehen.
»Du bist von dort gekommen. Was werden wir dort finden, Handloser? Was liegt hinter der klaffenden Wunde?«
Dann sprach eine andere Stimme, lauter, gebieterischer: »Welchem Gott gehören nun deine Hände, alter Mann? Sag es mir! Nicht einmal ihre Geister sind hier – wer hält dich fest? Sag es mir!«
»Es gibt keine Götter«, mischte sich eine dritte Stimme ein, dieses Mal eine weibliche.
»Das sagst du !« , erklang wieder eine andere, voller Gehässigkeit. »In deiner leeren, unfruchtbaren, armseligen Welt!«
» Götter werden aus dem Glauben geboren, und der Glaube ist tot. Wir haben ihn ermordet, mit unserer gewaltigen Intelligenz. Ihr wart zu primitiv – «
»Götter zu töten ist nicht schwierig. Es ist der Mord, der am leichtesten zu begehen ist. Und es ist kein Maßstab für Intelligenz. Nicht einmal einer für Zivilisation. Die Gleichgültigkeit, mit der solch tödliche Hiebe ausgeteilt werden, ist in Wirklichkeit eine besondere Form von Unwissenheit.«
»Wohl eher so etwas wie Achtlosigkeit. Schließlich sind es nicht die Götter, die wichtig sind, sondern das Aus-sich-selbst-Heraus-treten, das einem Sterblichen Tugend verleiht – «
»Vor der Ordnung niederknien? Du blinder Narr – «
»Ordnung? Ich habe von Erbarmen gesprochen – «
»Schön, dann sprich weiter! Tritt aus dir heraus, Leandris! Nein, noch viel besser – tritt nach draußen ! «
»Das kann nur der Neue, Cassa. Und er sollte sich lieber beeilen.«
Heboric drehte sich um und schaffte es irgendwie, nach unten zu sehen, einen kurzen Blick auf seinen linken Unterarm zu erhaschen, das Handgelenk, die Hand – die nicht da war. Ein Gott. Ein Gott hat sie genommen. Ich war blind dafür – die Geisterhände des Jaderiesen haben mich blind dafür gemacht -
Er warf den Kopf in den Nacken, als das Schreien und Kreischen plötzlich lauter wurde – ohrenbetäubend laut – und seinen Verstand benebelte. Die Welt wurde rot, blutrot -
Etwas zupfte an seinen Armen. Kräftig. Einmal. Zweimal.
Dunkelheit.
Heboric öffnete die Augen. Sah über sich die farblose Leinwand seines Zelts. Die Luft war kalt.
Ein kaum menschlich zu nennender Laut entschlüpfte ihm, und er rollte sich unter seinen Decken auf die Seite, krümmte sich zusammen wie ein Ball. Schauer überliefen ihn.
Ein Gott. Ein Gott hat mich gefunden.
Aber welcher Gott?
Es war Nacht, vielleicht nur noch ein Glockenschlag bis zur Morgendämmerung. Das Lager draußen war still, abgesehen von dem aus der Ferne heranwehenden, klagenden Geheul der Wüstenwölfe.
Nach einer Weile rührte Heboric sich erneut. Das Dungfeuer war erloschen. Laternen hatte er keine angezündet. Er schlug die Decke zur Seite und setzte sich langsam auf.
Dann starrte er ungläubig auf seine Hände hinunter.
Sie waren noch immer geisterhaft, aber das Otataral war fort. Die Macht der Jade war zurückgeblieben und pulsierte langsam. Doch jetzt war das Grün von schwarzen Streifen durchschossen. Unheimliche – fast flüssige – schwarze Streifen zogen sich über seine Handrücken, und dann weiter hinauf, veränderten den Winkel, während sie sich auf seinen Unterarmen fortsetzten.
Seine Tätowierungen waren verwandelt worden.
Und selbst in der tiefen Dunkelheit seines Zeltes konnte er sehen. Unmenschlich scharf, jede kleinste Einzelheit so deutlich, als wäre draußen heller Tag.
Sein Kopf fuhr herum, als er ein Geräusch hörte und eine Bewegung wahrnahm – aber es war nur ein Rhizan, der sich leicht wie ein Blatt auf dem Zeltdach niederließ.
Ein Rhizan? Auf dem Zeltdach?
Heborics Magen knurrte, als er plötzlich Hunger verspürte.
Er blickte noch einmal auf seine Tätowierungen hinunter. Ich habe einen neuen Gott gefunden. Nicht, dass ich einen gesucht hätte. Aber ich weiß, wer es ist. Was es ist.
Bitterkeit stieg in ihm auf. »Du brauchst also einen Destriant, Treach? Und da hast du dir einfach … einen genommen. Hast ihm sein eigenes Leben gestohlen. Zugegeben, es war kein besonders tolles Leben – aber es war immer noch meins. Rekrutierst du auf diese
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