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SdG 07 - Das Haus der Ketten

SdG 07 - Das Haus der Ketten

Titel: SdG 07 - Das Haus der Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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gegen das Chaos an sich geführt und manchmal auch gegeneinander. Wir haben gekämpft, um all das zu formen, was folgen würde. Und einige von uns haben jenen Kampf verloren. Verstehe mich nicht falsch, ich hege keine tiefe Feindseligkeit gegen deinen Vater. Es ist eher so, dass er ebenso unergründlich war wie der Rest von uns – eine bedenkliche Eigenschaft, die wir alle geteilt haben. Vielleicht das Einzige, was wir wirklich geteilt haben.«
    »Ihr werdet mir nicht helfen?«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    Er wartete.
    Sie hielt weiterhin ihre Hand unter der ruhigen Wasseroberfläche verborgen, machte noch immer keinerlei Anstalten, den Kopf zu heben und ihn anzublicken. »Dies wird einige Zeit dauern«, murmelte sie. »Innerhalb dieses Zeitraums wird die gegenwärtige … Verwundbarkeit … anhalten. Ich habe jemanden im Sinn, aber es wird dauern, bis sich die entsprechende Gelegenheit ergibt. Und ich glaube nicht, dass meine Wahl dir gefallen wird. In der Zwischenzeit …«
    »Ja?«
    Sie zuckte die Schultern. »Sollten wir am besten darauf hoffen, dass eventuell interessierte Wesen ausreichend abgelenkt bleiben.«
    Er sah, wie sich ihr Gesichtsausdruck plötzlich änderte, und als sie erneut sprach, klang ihre Stimme drängend. »Kehre in deine Sphäre zurück, L’oric! Ein anderer Kreis hat sich geschlossen – auf schreckliche Weise geschlossen.« Sie zog ihre Hand aus dem Wasser.
    L’oric keuchte auf.
    Sie war blutüberströmt.
    Er riss die Augen auf – und kniete wieder in seinem Zelt. Die Nacht war hereingebrochen, und die Geräusche von draußen klangen gedämpft, die friedlichen Geräusche einer Stadt, die sich zu ihrer Abendmahlzeit niederlässt. Doch er wusste, dass etwas Fürchterliches geschehen war. Er wurde ganz still, streckte tastend seine Fühler aus. Seine Kräfte – so schwach, so zittrig – »Bei den Göttern!« Ein Strudel aus Gewalt, in sich selbst verdreht, der Wogen schrecklicher Agonie verströmte – eine Gestalt kroch durch die Dunkelheit, klein, in sich zusammengekrümmt, in zerfetzten, mit Blut getränkten Kleidern. L’oric sprang auf; in seinem Kopf drehte sich alles vor Angst.
    Dann war er plötzlich draußen und rannte.
    Er fand ihre Spur, eine verschmierte Kriechspur durch Sand und Staub, draußen, jenseits der Ruinen, hinein in den versteinerten Wald. Sie führte, wie er instinktiv wusste, zu der geheiligten Lichtung, die Toblakai geschaffen hatte.
    Aber dort würde sie keinen Beistand finden. Ein weiterer Wohnsitz falscher Götter. Und Toblakai war fort, unterwegs, um mit seinem eigenen Schicksal die Klinge zu kreuzen.
    Aber sie konnte nicht mehr klar denken. Sie bestand nur noch aus Schmerz, der ihren Fluchtinstinkt entflammte. Sie kroch, wie es eine jede sterbende Kreatur tun würde.
    Er sah sie am Rand der Lichtung, klein und verdreckt, wie sie sich Stückchen um Stückchen weiterzog.
    L’oric kam an ihre Seite, streckte eine Hand aus, um sie ihr auf den Hinterkopf zu legen, auf ihre schweißnassen Haare. Sie zuckte mit einem Quieken unter ihm weg, trommelte mit zu Klauen gekrümmten Fingern auf seinen Arm ein. »Felisin! Er ist fort! Ich bin es, L’oric. Von mir hast du nichts zu befürchten. Du bist in Sicherheit – «
    Doch sie versuchte immer noch zu fliehen.
    »Ich werde nach Sha’ik rufen – «
    »Nein!«, kreischte sie und rollte sich auf dem Sand eng zusammen. »Nein! Sie braucht ihn! Sie braucht ihn immer noch!« Ihre Worte kamen undeutlich über ihre zerfetzten Lippen, aber sie waren dennoch verständlich.
    L’oric sank zurück. Sein Entsetzen ließ ihn verstummen. Sie war also doch nicht einfach nur eine verwundete Kreatur. Sondern ein Verstand, der klar genug war, um abzuwägen, zu berechnen, sich selbst zurückzustellen … »Sie wird es erfahren, Schätzchen – sie kann gar nicht anders, als es erfahren.«
    »Nein! Nicht, wenn Ihr mir helft. Helft mir, L’oric. Nur Ihr – nicht einmal Heboric! Er würde versuchen, Bidithal zu töten, und das darf nicht geschehen.«
    »Heboric? Ich will Bidithal töten!«
    »Das dürft Ihr nicht. Das könnt Ihr nicht. Er verfügt über Macht – «
    Er sah das Schaudern, das sie bei diesen Worten durchlief.
    L’oric zögerte und sagte schließlich: »Ich habe heilende Salben, Elixiere … aber du wirst dich einige Zeit verbergen müssen.«
    »Hier, in Toblakais Tempel. Hier, L’oric.«
    »Ich werde Wasser bringen. Und ein Zelt.«
    » Ja!«
    Die lodernde Wut in seinem Innern war zu einem weiß glühenden Kern

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