Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SdG 07 - Das Haus der Ketten

SdG 07 - Das Haus der Ketten

Titel: SdG 07 - Das Haus der Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
Zeitspanne, die bis zur Dämmerung verblieb, noch geschehen würde.
    Der nächste Tagesmarsch war auf Befehl der Mandata halbiert worden. Doch auch ein Marsch von fünf Glockenschlägen würde die meisten Soldaten die Exzesse dieser Nacht wahrscheinlich bereuen lassen.
    Aber vielleicht auch nicht.
    Er schaute zu, wie ein Seesoldat aus seiner eigenen Legion an ihm vorbeistolperte; eine Khundryl saß auf seinem Rücken, die Beine um seine Taille geschlungen, die Arme um den Hals. Sie war nackt, der Seesoldat so gut wie. Schwankend verschwand das Paar im Zwielicht.
    Gamet seufzte und zog den Umhang enger um sich, drehte sich um und näherte sich den beiden Wickanern, die auf Posten vor dem Zelt der Mandata standen.
    Sie waren vom Krähen-Clan, alt und grauhaarig, und sie sahen irgendwie elend aus. Als sie die Faust erkannten, gaben sie den Eingang frei. Er ging zwischen ihnen hindurch und duckte sich, um zwischen den Zeltklappen durchzuschlüpfen.
    Alle anderen Offiziere waren gegangen, nur noch die Mandata und Gall waren da. Letzterer hing lässig auf einem stabilen, alt aussehenden hölzernen Stuhl aus dem Tross der Khundryl. Der Kriegshäuptling hatte seinen Helm abgenommen, und darunter war ein dichter Schopf lockiger Haare, lang und schwarz und fettig glänzend, zum Vorschein gekommen. Der mitternachtsschwarze Schimmer stammte von einem Färbemittel, vermutete Gamet, denn der Mann hatte mindestens fünfzig Sommer gesehen. Die Spitzen seines Schnurrbarts ruhten auf seiner Brust, und er sah aus, als wäre er fast eingenickt, den Griff eines Tonkrugs in einer großen Hand. Die Mandata stand ganz in der Nähe, den Blick auf eine Kohlenpfanne gerichtet wie in Gedanken versunken.
    Wäre ich ein Künstler, würde ich diese Szene malen. Genau diesen Augenblick, und ich würde es dem Betrachter überlassen, sich seine eigenen Gedanken dazu zu machen. Er trat an den Kartentisch, wo ein weiterer Krug mit Wein wartete. »Unsere Armee ist betrunken, Mandata«, murmelte er, während er sich einen Becher einschenkte.
    »Genau wie wir«, brummte Gall. »Eure Armee ist verloren.«
    Gamet warf Tavore einen Blick zu, aber er konnte keinerlei Reaktion erkennen. Er holte tief Luft und drehte sich dann zu dem Khundryl um. »Wir müssen eine große Schlacht erst noch schlagen, Kriegshäuptling. Daher kennen wir uns selbst noch nicht. Das ist alles. Wir sind nicht verloren – «
    »Ihr habt Euch nur noch nicht gefunden«, beendete Gall den Satz und bleckte die Zähne. Er nahm einen großen Schluck aus seinem Krug.
    »Bedauert Ihr Eure Entscheidung, Euch uns anzuschließen, etwa?«, fragte Gamet.
    »Ganz und gar nicht, Faust. Meine Schamanen haben im Sand gelesen. Sie haben viel über Eure Zukunft erfahren. Die Vierzehnte Armee wird ein langes Leben haben, aber es wird ein ruheloses Leben sein. Ihr seid dazu verdammt, zu suchen, dazu bestimmt, auf ewig zu jagen … etwas zu jagen, von dem Ihr noch nicht einmal wisst, was es ist – und es vielleicht niemals erfahren werdet. Ihr werdet eine Ewigkeit dahinwandern … genau wie der Sand.«
    Gamet blickte ihn finster an. »Ich möchte niemanden kränken, Kriegshäuptling, aber ich habe wenig Vertrauen in Weissagungen. Kein Sterblicher – und auch kein Gott – kann vorhersagen, dass wir verdammt oder zu etwas bestimmt sind. Die Zukunft bleibt unbekannt – ihr allein können wir kein Muster aufdrücken.«
    Der Khundryl grunzte. »Muster, das Lebensblut der Schamanen. Aber nicht nur ihres, oder? Die Drachenkarten – werden sie nicht auch für Weissagungen benutzt?«
    Gamet zuckte die Schultern. »Manche Leute geben sehr viel auf die Karten, aber ich gehöre nicht zu ihnen.«
    »Seht Ihr keine Muster in der Geschichte, Faust? Seid Ihr blind für die Zyklen, die wir alle durchleiden? Seht Euch diese Wüste an, dieses Ödland, das Ihr durchquert. Euer malazanisches Imperium ist nicht das erste Reich, das auf dieses Land Anspruch erhebt. Und was ist mit den Stämmen? Vor den Khundryl, vor den Kherahn Dhobri und den Tregyn gab es die Sanid und die Oruth, und vor denen gab es andere, deren Namen längst vergessen sind. Seht Euch die Ruinenstädte an, die alten Straßen. Die Vergangenheit besteht nur aus Mustern, und diese Muster bleiben unter unseren Füßen, auch wenn die Sterne am Himmel ihr eigenes Muster enthüllen – denn die Sterne, zu denen wir jede Nacht aufblicken, sind nichts als Trugbilder aus der Vergangenheit.« Er hob den Krug erneut und betrachtete ihn einen Augenblick. »Und so

Weitere Kostenlose Bücher