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SdG 07 - Das Haus der Ketten

SdG 07 - Das Haus der Ketten

Titel: SdG 07 - Das Haus der Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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liegt die Vergangenheit unter und über der Gegenwart, Faust. Dies ist die Wahrheit, die meine Schamanen erblicken können, die Knochen, an denen wie Muskeln die Zukunft hängt.«
    Die Mandata drehte sich langsam um und musterte den Kriegshäuptling. »Morgen werden wir die Furt über den Vathar erreichen, Gall. Was wird uns dort erwarten?«
    Die Augen des Khundryl glitzerten. »Das müsst Ihr entscheiden, Tavore Paran. Es ist ein Ort des Todes, und er wird zu Euch sprechen – Worte, die wir anderen nicht hören werden.«
    »Seid Ihr schon einmal dort gewesen?«, fragte sie.
    Er nickte, sagte aber nichts.
    Gamet trank einen Schluck Wein. Diese Nacht – dieser Augenblick hier, im Zelt der Mandata – verströmte eine Fremdartigkeit, die ihm eine Gänsehaut bereitete. Er fühlte sich fehl am Platz, wie ein Einfaltspinsel, der in die Gesellschaft von Gelehrten gestolpert ist. Der Lärm draußen im Lager erstarb allmählich, und wenn die Morgendämmerung anbrach, würde Ruhe herrschen, das wusste er. Trunkene Vergessenheit war jedes Mal wie ein kleiner, zeitweiliger Tod. Der Vermummte schritt dort, wo das Selbst einst gestanden hatte, und das Kielwasser, das der Gott im Vorübergehen hinter sich herzog, machte das Fleisch der Sterblichen krank.
    Er stellte seinen Becher auf den Kartentisch. »Wenn Ihr mich entschuldigen wollt«, murmelte er, »die Luft hier drin ist zu … stickig.«
    Niemand antwortete ihm, als er wieder an die Zeltklappe trat.
    Draußen, auf dem Weg jenseits der zwei reglosen wickanischen Wachen, blieb Gamet stehen und blickte zum Himmel hinauf. Altes Licht, ja? Wenn dem so ist, dann sind die Muster, die ich sehe … möglicherweise schon längst gestorben. Nein, darüber sollte ich lieber nicht nachdenken. Das ist nur eine dieser wertlosen Wahrheiten, die nichts als Verunsicherung zu bieten haben.
    Und für das kalte Feuer brauchte er keine Nahrung. Er war zu alt für diesen Krieg. Beim Vermummten, mir hat es schon beim ersten Mal nicht sonderlich gefallen. Rache war schließlich etwas für die Jüngeren. Sie gehörte in die Zeit, in der die Gefühle am heißesten brannten, in der das Leben so scharf war, dass man sich daran schneiden konnte, und heftig genug, sich die Seele zu versengen.
    Er erschrak, als ein großer Hirtenhund an ihm vorbeitrottete. Den Kopf gesenkt, während die Muskeln unter einem gesprenkelten Fell spielten, das im wahrsten Sinne des Wortes aus unzähligen Narben zusammengenäht schien – so tappte das Tier den Durchgang zwischen den Zeltreihen entlang. Einen Augenblick später war es im Zwielicht verschwunden.
    »Ich habe mir vorgenommen, ihm zu folgen«, sagte eine Stimme hinter ihm.
    Gamet drehte sich um. »Hauptmann Keneb. Ich bin überrascht, dass Ihr immer noch wach seid.«
    Der Soldat zuckte die Schultern. »Dieses Wildschwein liegt mir nicht sonderlich gut im Magen, Faust.«
    »Es ist wahrscheinlich eher die vergorene Milch, die die Khundryl mitgebracht haben – wie heißt sie noch mal?«
    »Urtathan. Aber nein, daran liegt es nicht. Mit dem Gebräu hatte ich schon meine Erfahrungen, und deswegen habe ich einen großen Bogen darum gemacht. Wenn der Morgen kommt, vermute ich, werden drei Viertel der Armee zu einer ähnlichen Erkenntnis gelangen.«
    »Und das restliche Viertel?«
    »Ist tot.« Er lächelte, als er Gamets Miene sah. »Tut mir Leid, Faust, war nicht ganz ernst gemeint.«
    Gamet bedeutete dem Hauptmann, ihn zu begleiten, und sie setzten sich in Bewegung. »Warum folgt Ihr diesem Hund, Keneb?«
    »Weil ich seine Geschichte kenne, Faust. Er hat die Kette der Hunde überlebt. Von Hissar bis zum Untergang – jenem Hügel vor den Toren von Aren. Ich habe zugesehen, wie er – beinahe zu Coltaines Füßen – gefallen ist. Von Speeren durchbohrt. Er hätte das nicht überleben dürfen.«
    »Und wieso hat er dann doch überlebt?«
    »Gesler.«
    Gamet runzelte die Stirn. »Der Sergeant bei den Seesoldaten unserer Legion?«
    »Ja, Faust. Er hat ihn gefunden, und noch einen anderen Hund. Ich habe keine Ahnung, was dann geschehen ist. Aber beide Hunde haben sich von Verletzungen erholt, die eigentlich tödlich hätten sein müssen.«
    »Vielleicht hat ein Heiler …«
    Keneb nickte. »Vielleicht, aber keiner von Blistigs Aren-Garde. Ich habe Nachforschungen angestellt. Nein, da gibt es ein Geheimnis, das noch nicht gelüftet ist. Und damit meine ich nicht nur die Hunde, sondern auch Gesler selbst, und Stürmisch, seinen Korporal sowie noch einen dritten Soldaten –

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