SdG 07 - Das Haus der Ketten
sagte die Mandata.
»Dann hat er Ubaryd also zurückerobert.«
»Ja, und wir werden dort unsere Vorräte auffüllen.« Sie deutete nach Norden. »Da, Gamet. Könnt Ihr es sehen?«
Er blinzelte und fragte sich, was er sich quer über die riesige Ödnis namens Ubaryd-Odhan hinweg ansehen sollte. Dann stieß er zischend die Luft aus.
Ein rot glühender Wall war am Horizont zu erkennen, als ginge dort eine zweite Sonne unter.
»Der Wirbelwind«, sagte Tavore.
Plötzlich war der Wind viel kälter und zerrte heftig an Gamet.
»Und dahinter«, fuhr die Mandata fort, »wartet unser Feind. Sagt mir, was glaubt Ihr – wird Sha’ik unseren Vormarsch behindern?«
»Sie wäre eine Närrin, wenn sie es nicht täte.«
»Seid Ihr Euch dessen gewiss? Würde sie nicht vielleicht lieber Rekruten gegenübertreten, die noch kein Blut vergossen haben?«
»Das wäre ein ziemlich riskantes Glücksspiel, Mandata. Schon der Marsch allein wird die Vierzehnte härten und stählen. Wenn ich sie wäre, würde ich es vorziehen, einem Feind gegenüberzutreten, der des Kämpfens müde und bereits angeschlagen ist. Einem Feind, der mit Verwundeten belastet ist, dem allmählich die Pfeile, Pferde und was weiß ich noch ausgehen. Und wenn dann schließlich die letzte Begegnung bevorsteht, hätte ich etwas über Euch gelernt, Mandata. Ich würde Eure Taktik kennen, Eure Strategie. Im Augenblick hat Sha’ik keinerlei Möglichkeit, Euch einzuschätzen.«
»Ja. Eigenartig, nicht wahr? Entweder bin ich ihr völlig gleichgültig, oder sie glaubt, mich bereits durchschaut zu haben – was natürlich völlig unmöglich ist. Selbst wenn man davon ausgeht, dass sie Spione in unserer Armee hat, habe ich bisher lediglich dafür gesorgt, dass wir geordnet marschieren.«
Spione? Bei den Göttern hienieden, diese Idee ist mir ja noch gar nicht gekommen!
Einige Zeit lang sagte niemand ein Wort; sie waren beide in ihre Gedanken versunken, während sie nach Norden starrten. Die Sonne zu ihrer Linken verschwand. Doch der Wirbelwind verfügte über ein eigenes Feuer.
Kapitel Fünf
Macht hat eine Stimme, und diese Stimme ist das
Lied des Tanno Geistergängers.
Kimloc
E
r erwachte von einem leisen, feuchten Schnüffeln an seiner Seite. Als er die Augen langsam öffnete und den Kopf senkte, sah er vor seinem Magen ein zusammengerolltes Bhok’aral-Junges liegen, dessen Haut durch irgendeine Infektion fleckig war.
Kalam setzte sich auf. Er unterdrückte den Drang, die Kreatur im Genick zu packen und gegen die Wand zu werfen. Was allerdings nichts mit Mitleid zu tun hatte, sondern mit der Tatsache, dass dieser unterirdische Tempel das Heim Hunderter, vielleicht sogar Tausender Bhok’arala war. Die Kreaturen besaßen komplizierte gesellschaftliche Strukturen, und wenn er diesem Jungen etwas antat, konnte er sich leicht unter einem Haufen Männchen wiederfinden. Und so klein die Tiere auch waren, ihre Eckzähne konnten es ohne weiteres mit denen eines Bären aufnehmen. Also bemühte er sich, seinen Abscheu zu unterdrücken, und schob das fleckige Junge sanft von sich weg.
Es wimmerte kläglich und blickte aus großen, feuchten Augen zu ihm auf.
»Versuch’s gar nicht erst«, murmelte der Assassine, während er unter den Fellen herausglitt und aufstand. Stücke schimmeliger Haut bedeckten seine Magengrube, und das dünne Wollhemd war feucht von der triefenden Nase des Jungtiers. Kalam zog das Hemd aus und warf es in eine Ecke des kleinen Zimmers.
Er hatte Iskaral Pustl schon länger als eine Woche nicht mehr gesehen. Abgesehen von einem gelegentlichen Kribbeln in seinen Fingerspitzen und Zehen hatte er sich mehr oder weniger vom Angriff des Enkar’al-Dämons erholt. Kalam hatte die Diamanten übergeben und sehnte sich danach, endlich wieder aufbrechen zu können.
Ein leises Singen hallte durch den Korridor. Der Assassine schüttelte den Kopf. Vielleicht kriegt Mogora es ja eines Tages richtig hin, aber bis es so weit ist … bei den Göttern hienieden, es tut weh! Er ging zu seinem zerfetzten Packsack und wühlte darin herum, bis er ein sauberes Hemd fand.
Plötzlich erklang ein lautes Poltern vor seiner Tür, und er drehte sich gerade noch rechtzeitig um, um zu sehen, wie sie aufgerissen wurde. Mogora stand im Türrahmen, in der einen Hand einen hölzernen Eimer, in der anderen einen Schrubber. »War er hier? Gerade eben? War er hier? Sagt es mir!«
»Ich habe ihn schon seit Tagen nicht mehr gesehen«, erwiderte Kalam.
»Er muss die
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