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SdG 07 - Das Haus der Ketten

SdG 07 - Das Haus der Ketten

Titel: SdG 07 - Das Haus der Ketten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Du bist verrückt! Ist er verrückt? Ja, wahrscheinlich. Nein, wahrscheinlich nicht. Die Sonne hat ihm in dem dicken Schädel das Hirn gekocht. Eine allmähliche Zersetzung – aber natürlich nicht, natürlich nicht. Es ist das Tanno-Lied, das ist es. Aber selbst wenn, ist er wahrscheinlich immer noch verrückt. Zwei ganz verschiedene Sachverhalte. Das Lied. Und sein Wahnsinn. Verschieden. Ohne Beziehung zueinander. Beide können gleichermaßen all das vereiteln, was meine Herren planen. Oder nur möglicherweise. Möglicherweise. Es gibt keine Gewissheit in diesem verdammten Land, vor allem nicht hier. Ruhelose Raraku. Immerzu ruhelos!«
    Mit einem Schnauben stieß Kalam den Mann fort und begann auf die Mauer des Wirbelwinds zuzugehen. Kurz darauf folgte ihm Iskaral Pustl.
    »Sag mir, wie wir das machen werden, Priester.«
    »Es ist einfach, wirklich. Sie wird mitbekommen, dass es eine Lücke gibt. Wie einen Messerstich. Das lässt sich nicht vermeiden. Also – Irreführung! Und es gibt niemanden, der andere besser in die Irre führen kann als Iskaral Pustl!«
    Sie waren nun bis auf etwa zwanzig Schritt an die brodelnde Mauer aus Sand herangekommen. Wirbelnde Staubwolken hüllten sie ein. Iskaral Pustl trat dicht an Kalam heran, ein sandiges Grinsen im Gesicht. »Halt dich gut fest, Kalam Mekhar!« Dann verschwand er.
    Plötzlich ragte eine massige Gestalt undeutlich über dem Assassinen auf, und er wurde von mehreren Armen umfangen.
    Der Azalan.
    Der jetzt rannte, schneller am Rand der Mauer aus brodelndem Sand dahinflog, als es irgendein Pferd je gekonnt hätte. Der Dämon presste Kalam dicht unter seinen Oberkörper – und stürzte sich in den Wirbelwind.
    Ein donnerndes Brausen erfüllte die Ohren des Assassinen, Sandkörner peitschten gegen seine Haut. Er kniff die Augen fest zusammen.
    Mehrere dumpfe Geräusche, und der Azalan rannte über festgetretenen Sand. Voraus lagen die Ruinen einer Stadt.
    Feuer umloderte den Dämonen, ein Pfad aus Flammen wütete hinter ihm.
    Der obere Teil der toten Stadt wuchs vor ihnen in die Höhe. Der Azalan wurde nicht einmal langsamer, als er die ausgefranste Mauer hinaufraste. Eine Spalte öffnete sich, nicht groß genug für den Dämonen – aber ausreichend für Kalam.
    Er wurde in die Spalte geschleudert, als der Azalan darüber hinwegglitt. Landete hart inmitten von Geröll und Tonscherben. Tief im Schatten der Spalte.
    Plötzlich ließ ein Donner irgendwo über ihm den Fels erzittern. Dann noch einmal, wieder und wieder, als würden die Donnerschläge einem Pfad zurück zu der Mauer aus Sand folgen. Dann hörten die Detonationen auf, und nur das Brausen des Wirbelwinds blieb übrig.
    Ich glaube, er hat es wieder nach draußen geschafft. Ganz schön fix, der Bursche.
    Der Assassine verhielt sich einige Zeit vollkommen still, fragte sich, ob die List Erfolg gehabt hatte. Wie auch immer, er würde die Nacht abwarten, bevor er sich aus seinem Versteck wagte.
    Er konnte das Lied nicht mehr hören. Dafür sollte ich dankbar sein.
    Die Wände der Spalte zeigten auf der einen Seite Tonscherben in immer neuen Schichten, auf der anderen ein Stück abgesackter und aufgewölbter Pflasterstraße und auf der letzten die Flanke der Innenwand eines Gebäudes, deren Verputz abgebrochen und versengt war. Das Geröll unter ihm war locker und schien weit nach unten zu reichen.
    Kalam überprüfte seine Waffen und setzte sich hin, um zu warten.
     
    Mit Apsalar in den Armen tauchte Schlitzer aus dem Torweg auf. Das Gewicht der jungen Frau sandte Wogen aus Schmerz durch seine geprellte Schulter, und er glaubte nicht, dass er in der Lage sein würde, sie lange zu tragen.
    Dreißig Schritt voraus, am Rand der Lichtung, auf der die beiden Wege sich kreuzten, lagen Dutzende von Leichen. Und in ihrer Mitte stand Cotillion.
    Schlitzer ging zu dem Schattengott. Die Tiste Edur lagen in einem Kreis um einen freien Fleck etwas weiter links, doch Cotillions Aufmerksamkeit schien einem ganz besonderen Leichnam zu seinen Füßen zu gelten. Als der Daru näher trat, ging der Gott langsam in die Hocke, streckte die Hand aus und strich der Toten die Haare aus dem Gesicht.
    Es war die alte Hexe, sah Schlitzer, diejenige mit den Verbrennungen. Diejenige, die ich für die Quelle der Macht in der Gruppe der Malazaner gehalten habe. Aber das war sie nicht. Das war Reisender. Er blieb ein paar Schritt von Cotillion entfernt stehen, als er den Gesichtsausdruck des Gottes sah, die gramzerfurchte Miene, die ihn

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