SdG 07 - Das Haus der Ketten
schlagartig zwanzig Jahre älter aussehen ließ. Die in einem Handschuh steckende Hand, die die Haare zurückgestrichen hatte, streichelte nun zärtlich das verbrannte Gesicht der toten Frau.
»Ihr kennt sie?«, fragte Schlitzer.
»Das ist Haol«, erwiderte Cotillion nach einem Augenblick. »Ich dachte, Hadra hätte sie alle ausgelöscht und niemand aus dem Befehlsstab der Krallen wäre noch übrig. Ich dachte, sie wäre tot.«
»Sie ist es.« Er klappte den Mund zu. Was für eine verdammt armselige Bemerkung -
»Ich habe darauf geachtet, dass sie sich gut verstecken können«, fuhr Cotillion fort, den Blick noch immer auf die Frau gerichtet, die vor ihm im blutigen, zertrampelten Gras lag. »So gut, dass sie sich sogar vor mir verstecken konnte, wie es scheint.«
»Was glaubt Ihr, hat sie hier getan?«
Cotillion zuckte leicht zusammen. »Das ist die falsche Frage, Schlitzer. Eigentlich müsste sie so lauten: Warum war sie mit Reisender zusammen? Was haben die Krallen vor? Und was Reisender angeht … bei den Göttern, hat er gewusst, wer sie war? Natürlich hat er es gewusst – oh, sie ist älter geworden, und das hat ihr nicht nur gut getan, aber trotzdem …«
»Ihr könntet ihn ganz einfach fragen«, murmelte Schlitzer. Er ächzte, als er Apsalars Gewicht in seinen Armen verlagerte. »Schließlich ist er in dem Hof da hinter uns.«
Cotillion griff an den Hals der Frau und brachte etwas, das an einem Lederriemen hing, zum Vorschein. Eine Art gelbfleckige Kralle. Er machte das Ding los, musterte es einen Augenblick und warf es Schlitzer zu.
Es traf den jungen Daru an der Brust und fiel dann in Apsalars Schoß.
Schlitzer starrte einen Augenblick auf den Gegenstand hinunter, dann blickte er auf und sah dem Gott in die Augen.
»Geh zum Schiff der Edur, Schlitzer. Ich schicke euch beide zu einem anderen von unseren … Agenten.«
»Und was sollen wir dort tun?«
»Warten. Für den Fall, dass ihr gebraucht werden solltet.«
»Wofür?«
»Anderen dabei zu helfen, den Meister der Kralle zur Strecke zu bringen.«
»Wisst Ihr, wer es ist?«
Cotillion nahm Haol in die Arme und stand auf. »Ich habe einen Verdacht. Endlich habe ich einen Verdacht, was all diese Dinge betrifft.« Die zerbrechliche Gestalt wirkte leicht in seinen Armen, als er sich umdrehte und Schlitzer einen Moment betrachtete. Ein kurzes, mattes Lächeln. »Schau uns beide nur an«, sagte er, dann wandte er sich ab und begann, auf den Pfad durch den Wald zuzugehen.
Schlitzer starrte ihm hinterher.
Und rief einen Herzschlag später: »Es ist nicht das Gleiche! Das ist es nicht!« Wir sind nicht -
Der Gott wurde von den Schatten des Waldes verschluckt.
Schlitzer zischte einen Fluch, dann wandte er sich dem Pfad zu, der hinunter zur Küste führte.
Der Gott Cotillion ging weiter, bis er eine kleine, seitlich des Pfads gelegene Lichtung erreichte. Er trug seine Last in die Mitte und legte sie dort sanft ab.
Gegenüber begannen Schatten zu wogen, aus denen sich schließlich die verschwommene, substanzlose Gestalt Schattenthrons langsam löste. Zur Abwechslung sagte der Gott einmal lange Zeit nichts.
Cotillion kniete sich neben Haols Leiche. »Reisender ist hier, Ammanas. In den Ruinen der Edur.«
Ammanas grunzte leise, zuckte dann die Schultern. »Er wird kein Interesse daran haben, unsere Fragen zu beantworten. Das hatte er noch nie. Er ist so stur wie alle Dal Honesen.«
»Du bist auch ein Dal Honese«, bemerkte Cotillion.
»Stimmt.« Ammanas glitt geräuschlos vorwärts, bis er auf der anderen Seite der Leiche angekommen war. »Sie ist es, nicht wahr?«
»Ja.«
»Wie oft müssen unsere Anhänger sterben, Cotillion?«, fragte der Gott und seufzte. »Andererseits ist sie schon einige Zeit eindeutig keine Anhängerin mehr.«
»Sie dachte, wir wären nicht mehr da, Ammanas. Der Imperator und Tanzer. Fort. Tot.«
»Und in gewisser Hinsicht hat sie ja auch Recht gehabt.«
»In gewisser Hinsicht, ja. Aber nicht, was das Wesentliche betrifft.«
»Und das wäre?«
Cotillion blickte auf, verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Sie war eine Freundin.«
»Ah, dieses Wesentliche.« Ammanas schwieg einen Moment, dann fragte er: »Wirst du dieser Sache nachgehen?«
»Ich sehe wenig andere Möglichkeiten. Die Krallen haben irgendetwas vor. Wir müssen sie aufhalten – «
»Nein, mein Freund. Wir müssen sicherstellen, dass sie scheitern. Hast du eine … eine Spur gefunden?«
»Mehr als das. Mir ist klar geworden, wer die ganze
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