SdG 08 - Kinder des Schattens
Eurem Gehirn ein Gift zuführen – nun, im Grunde kein richtiges Gift, die Absonderungen einer kleinen Kreatur, die sich die heißen Quellen mit der Uhtuhluh teilt. Besagte Absonderungen sind für die Uhtuhluh ungenießbar. Ach, ist die Natur nicht herrlich?«
Mit müden Augen stolperte Bagg ins Haus seines Herrn. Es war kaum noch eine Stunde bis zur Morgendämmerung. Er fühlte sich ausgelaugt; mehr durch den Segen, den er erteilt hatte, als dadurch, den Leichnam der alten Frau für das Begräbnis vorzubereiten. Nachdem er zwei Schritte in den Raum hineingemacht hatte, blieb er stehen.
An der gegenüberliegenden Wand hockte Shand auf dem Fußboden. »Wo ist der elende Kerl, Bagg?«
»Er arbeitet, auch wenn ich mir vorstellen kann, dass Ihr daran zweifelt. Ich habe heute Nacht noch nicht geschlafen und bin daher kein guter Gesprächspartner, Shand …«
»Sollte mich das kümmern? Was arbeitet er? Was tut er, das getan werden muss, wenn der Rest der Welt schläft?«
»Shand, ich …«
»Antworte!«
Bagg ging zu dem Topf, der auf einem Gitter auf dem nun kalten Herd stand. Er tauchte einen Becher in den lauwarmen, eingekochten Tee. »Zwölf Arten von Investitionen, wie unsichtbare Ströme unter Fundamenten, die abtragen, ohne dass das leiseste Zittern zu bemerken ist. Jedes Wirtschaftssystem verfügt über unentbehrliche Säulen, auf denen alles andere ruht, Shand.«
»Mitten in der Nacht kann man keine Geschäfte machen.«
»Diese Art von Geschäften nicht, nein. Aber es gibt Gefahren für unsere Pläne, Shand. Bedrohungen. Und man muss sich ihrer annehmen. Wie auch immer – was macht Ihr eigentlich bei Nacht hier draußen ohne Euren Leibwächter?«
»Ublala? Dieser Esel? Der ist in Rissarhs Bett. Oder in Hejuns.
Nicht in meinem, zumindest heute Nacht nicht. Wir wechseln uns ab.«
Bagg starrte sie im Zwielicht des Raums an. Er trank den letzten Schluck Tee und stellte den Becher ab.
»Stimmt das alles wirklich?«, fragte Shand nach einem kurzen Moment. »Diese Sache mit den Investitionen?«
»Ja.«
»Warum erzählt er uns nichts davon?«
»Weil Eure Investitionen davon getrennt bleiben müssen. Es darf keinerlei Verbindung zwischen ihnen geben. Und kein vergleichbares Muster. Daher solltet Ihr seinen Anweisungen genauestens Folge leisten. Es wird sich schließlich alles finden.«
»Ich hasse Genies.«
»Das ist verständlich. Alles, was er tut, scheint einen zu verwirren, das stimmt. Aber man gewöhnt sich daran.«
»Und wie läuft’s mit Baggs Bauunternehmen?«
»Ganz gut.«
»Was hat das Ganze eigentlich für einen Zweck? Einfach nur Geld zu verdienen?«
»Nein. Der Plan ist, den Auftrag für das Ewige Domizil zu bekommen.«
Shand starrte ihn an. »Warum?«
Bagg lächelte.
Desinfizieren, bleichen, scheuern, kämmen. Haut und die Kleider wurden mit wohlriechenden Ölen eingerieben. Alles andere mit konservierenden Ölen. Augen, Nase, Ohren und Mund wurden durch Spülungen gesäubert. Dann war es Zeit für die Pumpe.
Dies war der Augenblick, in dem Tehol nach draußen stolperte, um ein wenig frische Luft zu schnappen.
Im Osten wurde der Himmel bereits hell; die weniger vernünftigen Bewohner der Stadt waren schon auf und begaben sich auf die Straße. Wagen klapperten über Pflastersteine. Irgendwo krähte ein Hahn – doch sein überschwängliches Gekrähe wurde schlagartig abgewürgt. Ein Hund bellte glücklich.
Schritte, die rechts von Tehol Halt machten. »Ihr seid immer noch hier?«
»Oh, Selushs Helfer. Und wie geht es dir an diesem grässlichen Morgen, Padderunt?«
Der alte Mann zog immer ein säuerliches Gesicht, doch bei Tehols höflicher Frage schien es geradezu in ein einziges faltiges Durcheinander zu implodieren. »Wie es mir geht? Ich bin müde! Ich habe nicht geschlafen! So geht’s mir, verdammte Schlange! Sind sie immer noch da drin? Das ist vergebliche Liebesmüh, sage ich. Vergebliche Liebesmüh. Genau wie bei Euch, Tehol Beddict. Ich habe Eure Mutter gekannt – was würde sie sagen, wenn sie Euch jetzt sehen könnte?«
»Du hast ihren Leichnam gekannt, du alter Narr. Vorher waren wir dir noch nie begegnet.«
»Glaubt Ihr etwa, sie hätte mir nicht alles über sich erzählt? Glaubt Ihr, ich kann nicht sehen, was es zu sehen gibt? Die Seele im Inneren formt den Körper. Oh ja, sie hat zu mir gesprochen.«
Tehol zog die Brauen hoch. »Die Seele im Innern formt den Körper?« Er starrte auf das runzlige Pflaumengesicht hinunter, das düster zurückstarrte.
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