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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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vom feuchten Grund fern zu halten, und Theradas war losgezogen, um die Höhlen zu erkunden.
    Trull ging zu einem seichten Teich und kniete am Rand nieder. Das salzhaltige Wasser wimmelte von winzigen, grauen Garnelen. Entenmuscheln bevölkerten die Wasserlinie.
    »Das Eis stirbt.«
    Auf Forchts Worte hin stand Trull auf und drehte sich zu seinem Bruder um, der zu ihm getreten war. »Warum sagst du das?«
    »Das Salz nagt an seiner Substanz. Ich nehme an, dass wir hier im tiefsten Bereich des alten Meeresgrunds sind. Wo sich das letzte Wasser gesammelt hat und dann langsam verdunstet ist. Die Salzsäulen da drüben sind alles, was noch übrig ist. Wäre das Meeresbecken überall so gewesen wie hier, wäre die Eisdecke längst eingestürzt …«
    »Vielleicht tut sie das auch«, mischte Binadas sich ein, der jetzt ebenfalls zu ihnen trat. »In Jahrtausende währenden Zyklen. Sie stürzt ein, und dann beginnt das Salz seine Arbeit von neuem.«
    Trull starrte in die von Zwielicht erfüllte Umgebung. »Ich kann nicht glauben, dass diese Säulen das ganze Eis tragen. Es muss einen Zyklus geben, wie Binadas ihn gerade beschrieben hat.« Er erhaschte eine Bewegung, und dann tauchte Theradas wieder auf. Trull sah, dass der Krieger sein Schwert in der Hand hielt.
    »Da vorne ist ein Pfad«, sagte Theradas. »Und ein Versammlungsplatz. Wir sind nicht die Ersten, die hier heruntergekommen sind.«
    Auch Rhulad und Midik gesellten sich zu ihnen. Eine Weile sagte niemand ein Wort.
    Schließlich nickte Forcht. »Wie frisch sind die Spuren, Theradas?«
    »Ein paar Tage alt.«
    »Binadas und Trull, geht mit Theradas zu diesem Versammlungsort. Ich werde mit den Ungebluteten hier bleiben.«
     
    Der Pfad begann zwanzig Schritt von der Spalte entfernt, ein Weg, der von Steinchen und Geröll freigeräumt worden war und sich zwischen den rauen, kristallischen Salzsäulen dahinwand. Unaufhörlich tropfte Schmelzwasser von der verwitternden Decke. Theradas führte sie etwa dreißig Schritt weit bis zu einer Stelle, wo der Pfad am Rand einer großen Fläche endete, die von einer groben, kuppelförmigen Decke überspannt wurde, auf der keine einzige Salzsäule stand.
    Fast im Zentrum hockte ein niedriger, missgestalteter, steinerner Altar. Weihgaben lagen rings um ihn herum – größtenteils Muscheln, dazwischen ab und an auch Schnitzereien aus Elfenbein. Doch Trull schenkte diesen Dingen nur flüchtig Beachtung, denn seine Blicke wurden von der hinteren Wand angezogen.
    Eine Fläche aus reinem Eis, hundert oder mehr Schritt breit, die leicht schräg überhängend aufragte – eine Wand, in der zahllose Tiere während ihrer panischen Flucht gefangen worden waren, mitten im Sprung erstarrt. Geweihe ragten aus dem Eis, Köpfe und Schultern – immer noch fest und unbeweglich – und hoch erhobene oder nach vorne gereckte Vorderbeine. Matt spiegelte sich das gedämpfte, blaugrüne Licht in frostüberzogenen Augen. Und tiefer im Innern des Eisblocks waren die verschwommenen Umrisse von Aberhunderten weiterer Tiere zu erkennen.
    Beinahe betäubt von dem, was er da sah, ging Trull langsam weiter, um den Altar herum; er erwartete beinah, dass die anstürmenden Tiere sich urplötzlich in Bewegung setzten, dass sie weiterstürmten und sie alle unter ihren Hufen zermalmten.
    Als er näher kam, sah er unzählige Kadaver am Fuß der Fläche -Tiere, die aus dem zurückweichenden Eis gefallen, aufgetaut und schließlich zu zähflüssigen Lachen zusammengesunken waren.
    Ganze Wolken von winzigen schwarzen Fliegen stiegen von den Fleischklumpen und Hautfetzen auf, schwärmten auf Trull zu, als wären sie entschlossen, ihr Festmahl zu verteidigen. Er blieb stehen und wedelte mit den Händen, bis sie sich zerstreuten und zu den verrottenden Kadavern zurückzufliegen begannen. Die Tiere – Karibus – waren auf dem Schnee dahingerannt, auf einer kniehohen, festgetrampelten Schicht auf dem Meeresgrund. Er konnte noch immer das Entsetzen in ihren Augen sehen – und da, hinter einer armdicken Eisschicht verwaschen erkennbar, waren auch der Kopf und die Schultern eines riesigen Wolfs mit silbernem Fell und bernsteinfarbenen Augen, der Schulter an Schulter neben einem Karibu gerannt war. Der Wolf hatte den Kopf hoch erhoben, das Maul aufgerissen, dicht am Nacken seines Opfers. Eckzähne, so lang wie Trulls Daumen glänzten unter zurückgezogenen Lefzen.
    Das Drama der Natur. Lebewesen, die der Katastrophe keine Beachtung geschenkt hatten, die von hinten – oder

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