SdG 08 - Kinder des Schattens
waren, die nur starben, um wieder aufzuerstehen – und so würde es weitergehen, bis sie schließlich Erfolg haben würden, bis sie ihn schließlich töten würden.
Und dennoch kämpfte er weiter, ließ Blut und Leichen auf seinem Weg zurück.
Er rannte, und der Schnee knirschte unter seinen Füßen.
Und dann erstarb der Wind – urplötzlich, wie ein letztes Ausatmen.
Voraus waren Flecken aus dunkler Erde. Er brach durch eine unsichtbare Barriere – zu seiner Rechten schimmerte fahl eine untergehende Sonne, er spürte kühle, feuchte Luft träge dahinfließen, und der Geruch von Schlamm stieg ihm in die Nase.
Und Rufe, Gestalten zu seiner Linken, gut fünfhundert Schritt entfernt. Als Brüder des gleichen Herdes begrüßten die Toten seine Ankunft.
Trull taumelte auf sie zu, während ein freudiges Gefühl in ihm aufwallte. Dann würde er also nicht für immer allein als Geist herumwandern müssen. Nein, Verwandte würden an seiner Seite sein, horcht und Binadas. Und Rhulad.
Midik Buhn und Theradas kamen ihm entgegengerannt.
Alles Brüder. Meine Brüder …
Das Licht der Sonne flackerte, kräuselte sich wie Wasser, und dann wallte – einer alles verschlingenden Flut gleich – Dunkelheit in ihm auf.
Die Schlitten standen ein Stück zur Seite, ihre Kufen waren im Schlamm begraben. Auf einem lag eine eingewickelte Gestalt, um die Eisbrocken herumgelegt und festgezurrt worden waren. Binadas saß mit geschlossenen Augen aufgestützt auf dem anderen Schlitten; die Schmerzen hatten tiefe Linien in sein Gesicht gegraben.
Trull setzte sich langsam auf. Ihm war schwindlig, und er fühlte sich merkwürdig unbeholfen. Pelze fielen von ihm ab, als er langsam und wacklig aufstand und sich benommen umschaute. Im Westen schimmerte glatt und grau ein See unter einem bedeckten Himmel. Der schwache Wind war warm und feucht.
Ein Feuer war entzündet worden, und darüber war ein magerer Hase aufgespießt; Midik Buhn kümmerte sich um den Braten. Etwas abseits standen Forcht und Theradas, die Gesichter den entfernten Eisfeldern im Osten zugewandt, während sie sich leise unterhielten.
Der Geruch des brutzelnden Fleischs zog Trull ans Feuer. Midik Buhn blickte zu ihm auf und schaute dann schnell weg, als wäre er von etwas beschämt.
Trulls Finger schmerzten heftig, und er hob die Hände, um sie sich anzusehen. Seine Finger waren rot, und überall schälte sich die Haut, aber zumindest hatte er sie nicht an die Kälte verloren. Tatsächlich schien er heil zu sein, obwohl seine Lederrüstung über der Brust und an den Schultern in Fetzen hing. Er konnte sehen, dass das wattierte Unterzeug aufgeschlitzt war und hier und da dunkelrote Flecken hatte, und an diesen Stellen spürte er den Schmerz oberflächlicher Wunden.
Dann waren die zahllosen Angriffe also doch kein Alptraum gewesen. Er wollte sein Schwert überprüfen und stellte fest, dass er keinen Schwertgurt mehr trug. Einen Augenblick später entdeckte er seine Waffe, die an einem Packsack lehnte. Sie war kaum wiederzuerkennen. Die Klinge war verbogen, die Schneide so schartig, dass das Schwert kaum mehr als eine Keule war.
Schritte erklangen hinter ihm, und Trull drehte sich um.
Forcht legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Trull Sengar, wir haben nicht damit gerechnet, dich je wiederzusehen. Es war eine tollkühne Taktik, die Jheck von unserer Spur wegzuführen, und sie hat uns das Leben gerettet.« Er nickte in Richtung des Schwerts. »Deine Waffe erzählt die Geschichte. Weißt du, wie viele du besiegt hast?«
Trull schüttelte den Kopf. »Nein. Forcht, ich habe sie nicht absichtlich von euch weggelockt. Ich habe mich im Sturm verirrt.«
Sein Bruder lächelte und sagte nichts.
Trull warf Theradas einen Blick zu. »Ich habe mich verirrt, Theradas Buhn.«
»Das spielt keine Rolle«, erwiderte Theradas brummig.
»Ich dachte, ich wäre tot.« Trull schaute weg und rieb sich das Gesicht. »Ich habe euch gesehen und dachte, ich würde mich im Tode zu euch gesellen. Ich habe erwartet …« Er schüttelte den Kopf. »Rhulad …«
»Er war ein wahrer Krieger, Trull«, sagte Forcht. »Wir haben es geschafft, und jetzt müssen wir weiter. Es sind Arapay hierher unterwegs – Binadas ist es gelungen, ihre Schamanen auf unsere Notlage aufmerksam zu machen. Sie werden unsere Heimreise beschleunigen.«
Trull nickte abwesend. Er starrte zu dem Eisfeld hinüber. Erinnerte sich daran, wie der eisige Boden sich unter seinen Mokassins angefühlt, wie seine Schritte
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