Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
Vom Netzwerk:
eigenes Spiel von Jäger und Beute spielten. Brys wusste, dass dies nicht seine Welt war, und er hatte auch nicht vor, ihren Geheimnissen nachzujagen. Diese Stunden gehörten der Weißen Krähe, und sie konnte sie gern behalten.
    Er wandte sich in die andere Richtung und machte sich daran, zum Palast zurückzugehen.
    Anscheinend war der beachtliche Verstand seines Bruders nicht müßig gewesen, war seine Gleichgültigkeit nichts weiter als eine Finte. Was aus Tehol einen sehr gefährlichen Mann machte. Dem Abtrünnigen sei Dank, dass er auf meiner Seite ist …
    Er ist doch auf meiner Seite – oder?
     
    Der alte Palast, der schon bald zugunsten des Ewigen Domizils vollkommen aufgegeben werden würde, hockte auf einem eingesunkenen Hügel, wobei das eigentliche Gebäude hundert Schritt von den zu bestimmten Jahreszeiten unsicheren Ufern des Flusses entfernt lag. Reste einer hohen Mauer deuteten darauf hin, dass sich hier einst vom Palast bis zum Fluss hin eine Einfriedigung erstreckt hatte, die eine Ansammlung von Gebäuden erfolgreich vom Rest der Stadt abgetrennt hatte.
    Nicht unbedingt, um einen Eigentumsanspruch zu erheben, denn die fraglichen Bauwerke waren älter als selbst das Erste Imperium. Vielleicht hatten die ursprünglichen Erbauer in gewisser Weise etwas wiedererkannt – etwas, das diesem Grund und Boden etwas beinahe Geweihtes verlieh, auch wenn es den Kolonisten natürlich nicht heilig gewesen war. Eine andere Möglichkeit war, dass die ersten Letherii über ein vollständigeres geheimes Wissen verfügt hatten – Geheimnisse, die seither längst verloren gegangen waren –, das sie dazu inspiriert hatte, die Behausungen der Jaghut und den einzelnen, sich auf merkwürdige Weise von ihnen unterscheidenden Turm in ihrer Mitte zu ehren.
    Die Wahrheit war mit den Mauern der Einfriedigung in sich zusammengefallen, und Antworten fand man nicht dadurch, dass man den Staub des zerbröckelten Mörtels oder die Fetzen abblätternden Schiefers durchsiebte. Dieses Gelände war zwar nicht mehr unzugänglich, wurde aber aus Gewohnheit weiterhin gemieden. Das Land selbst war wertlos, kraft einer sechs Jahrhunderte alten königlichen Proklamation, die den Abbruch der alten Bauten und eine nachfolgende Wiederbesiedlung untersagte. Jeder legale Widerspruch gegen diese Proklamation – ja, selbst eine einfache Nachfrage – wurde kurzerhand abgewiesen, ohne dass auch nur die Gerichte bemüht wurden.
    Alles schön und gut. Wer mit den Fliesen umgehen konnte, auf denen die Festen aufgezeichnet waren, wusste nur zu gut um die Bedeutung des flachen, quadratischen, geneigten Turms inmitten des zerwühlten, überwucherten Geländes. Und natürlich auch um die der Jaghut-Behausungen, die die Feste des Eises verkörperten. Viele glaubten, dass der Azath-Turm das allererste echte Gebäude der Azath auf dieser Welt war.
    Seit sie die Welt mit anderen Augen sah, war Shurq Elalle nicht mehr so skeptisch, wie sie es früher vielleicht gewesen wäre. Das Gelände, das den arg mitgenommenen grauen Steinturm umgab, übte eine geheimnisvolle Anziehungskraft auf die tote Diebin aus. Dort waren Verwandte – aber keine Blutsverwandten. Nein, dies war die Familie der Untoten, derjenigen, die entweder nicht fähig oder nicht willens waren, sich dem Vergessen hinzugeben. Was diejenigen anging, die in der klumpigen, von Lehm durchzogenen Erde rund um den Turm begraben worden waren, so waren ihre Gräber Gefängnisse. Der Azath gab seine Kinder nicht auf.
    Sie spürte außerdem, dass dort lebendige Kreaturen begraben waren, von denen die meisten angesichts der Jahrhunderte, die sie in Wurzeln gefesselt verbracht hatten, dem Wahnsinn verfallen waren. Andere blieben geheimnisvoll stumm und reglos, als warteten sie auf das Ende der Ewigkeit.
    Die Diebin näherte sich dem verbotenen Gelände hinter dem Palast. Sie konnte den Azath-Turm sehen, dessen drittes und oberstes Stockwerk über die geschwungenen Wände der Jaghut-Behausungen hinausragte. Kein einziges Bauwerk stand völlig gerade. Alle waren in irgendeiner Weise geneigt; entweder war der unter der Oberfläche gelegene Lehm von dem enormen Gewicht zur Seite gedrückt worden oder unterirdische Wasseradern hatten Sandlinsen ausgewaschen. Reben hatten sich an den Wänden hochgerankt und bildeten chaotische Netze, obwohl diejenigen, die sich zum Azath hin gestreckt hatten, abgestorbenen waren und inmitten gelber Gräser verdorrt vor den Grundmauern lagen.
    Sie brauchte die Blutspur nicht zu

Weitere Kostenlose Bücher