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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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deine Hilfe, Tehol.«
    Er blickte auf, konnte den Gesichtsausdruck seines Bruders in der Dunkelheit jedoch nicht erkennen.
    »Es geht um Hull«, fuhr Brys fort. »Er ist dabei, in seinen eigenen Tod zu laufen.«
    »Sag mir eines«, meinte Tehol. »Hast du dich jemals gefragt, warum keiner von uns eine Frau gefunden hat?«
    »Ich habe gesagt, dass Hull …«
    »Es ist ganz einfach. Wirklich. Bedanke dich dafür bei unserer Mutter, Brys. Sie war zu schlau. Hol uns der Abtrünnige, was für eine Untertreibung. Es war nicht Vater, der die Investitionen verwaltet hat.«
    »Und du bist ihr Sohn, Tehol. Weit mehr als Hull und ich es sind. Das wird mir jedes Mal klar, wenn ich dich ansehe, jedes Mal, wenn ich dir zuhöre, wenn ich mich bemühe, deinen Gedankengängen zu folgen. Aber ich verstehe nicht, wie das …«
    »Unsere Erwartungen hausen in den Wolken, Brys. Oh, wir versuchen es. Wir alle haben es versucht, nicht wahr?«
    »Verdammt, Tehol, worauf willst du hinaus?«
    »Auf Hull natürlich. Deswegen bist du doch hergekommen, oder? Um über ihn zu sprechen. Also. Er ist einer Frau begegnet – einer Frau, die auf ihre Art so klug wie unsere Mutter war. Genauer gesagt, sie hat ihn gefunden. Das größte Geschenk, das Hull jemals erhalten hat, doch er hat es nicht als das erkannt, was es war – nicht einmal, als er es in den Händen gehalten hat.«
    Brys trat näher. Er hob die Hände, als wollte er seinen Bruder an der Kehle packen. »Du verstehst es nicht«, sagte er. Seine Stimme war so voller Gefühl, dass sie brüchig klang. Nach einem Augenblick sanken seine Hände wieder herunter. »Der Prinz wird ihn töten lassen. Und wenn nicht der Prinz, dann der Erste Eunuch – sollte Hull seine Stimme gegen den König erheben. Aber warte mal!« Er stieß ein humorloses Lachen aus. »Da ist ja auch noch Gerun Eberict! Der auch dort sein wird! Habe ich irgendjemanden vergessen? Ich bin mir nicht sicher. Spielt es eine Rolle? Hull wird an den Verhandlungen teilnehmen. Er ist der Einzige, dessen Motive niemand – überhaupt niemand – kennt. Man kann sein eigenes Spiel nicht durchziehen, wenn im letzten Moment ein Fremder dazutritt, oder?«
    »Beruhige dich, Bruderherz«, sagte Tehol. »Ich wollte sehr wohl zur Sache kommen.«
    »Tja, ich kann es nicht erkennen.«
    »Nicht so laut, bitte. Hull hat sie gefunden – und dann hat er sie wieder verloren. Aber sie ist immer noch da – das zumindest ist offensichtlich. Seren Pedac, Brys. Sie wird ihn beschützen …«
    Brys schnaubte und wandte sich ab. »So, wie Mutter Vater beschützt hat?«
    Tehol zuckte zusammen, dann seufzte er tief. »Mildernde Umstände …«
    »Und Hull ist der Sohn unseres Vaters!«
    »Du hast mich gerade eben gefragt, wie ich das Andenken unserer Eltern in Ehren halte. Dazu kann ich dir eines sagen, Brys. Wenn ich dich sehe. Wie du dastehst. Deine tödliche Anmut – deine Fähigkeiten, die du von seiner Hand gelernt hast –, also, ich brauche keine Erinnerungen. Er steht vor mir – jetzt, in diesem Augenblick. Mehr, als es bei Hull der Fall ist. Viel mehr. Und ich würde behaupten, es ist so, wie du sagst – ich bin ihr sehr ähnlich. Und so kommt es«, er breitete hilflos die Arme aus, »dass du mich um Hilfe bittest, aber nicht hören willst, was ich dir sage. Brauchen wir Gedächtnisstützen, um uns an das Schicksal unserer Eltern zu erinnern? Brauchen wir Erinnerungen, Brys? Du und ich, wir stehen hier und spielen wieder einmal die alten Familienqualen nach.«
    »Wenn das so ist«, sagte Brys heiser, »beschreibst du unseren Untergang.«
    »Sie hätte ihn retten können, Brys. Wenn wir nicht gewesen wären. Wenn da nicht ihre Angst um uns gewesen wäre. Das ganze raffiniert geknüpfte Netz aus Schuld, in dem Vater gefangen war – sie hätte es in Stücke gerissen, aber sie konnte – genau wie ich – nichts von der Welt erkennen, die sich aus der Asche erheben würde. Und weil sie nichts erkennen konnte, hatte sie Angst.«
    »Dann hätte sie ihn also gerettet, wenn wir nicht gewesen wären – sie hätte ihn vor jenem Augenblick höchster Feigheit bewahrt?«
    Brys blickte ihn jetzt an, seine Augen glänzten.
    »Ich nehme es an«, erwiderte Tehol. »Und von ihnen haben wir unsere Lektionen für das Leben erhalten. Du hast dich für die Königliche Garde und den Schutz entschieden, den sie bietet – und jetzt für die Position des Kämpen des Königs. Wo du niemals zum Schuldner werden wirst. Was Hull angeht … Er hat sich abgewandt – vom

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