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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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versenken.«
    Sie musterte ihn erneut einen Augenblick lang schweigend, dann sagte sie: »Ich könnte es mitnehmen.«
    »Bringt bitte mich nicht zum Lachen, Shurq. Im Ernst.«
    »Warum?«
    »Weil es ein sehr ansteckendes Lachen ist.«
    »Oh. Ein Punkt für Euch.«
    »Und was ist mit dem Allgemeinen Kontrakt?«, fragte Tehol.
    »Der ist angenommen. Vermutlich wollt Ihr nicht, dass ich hier in der Gegend rumhänge.«
    »Mitternächtliche Treffen wie dieses sollten eigentlich ausreichen. Kommt morgen Nacht, und wir werden eine neue Frau aus Euch machen.«
    »Hauptsache, ich rieche gut.«
    »Macht Euch keine Sorgen. Ich kenne genau die richtigen Leute für diese Aufgabe.«
     
    Die Diebin verschwand, indem sie die Außenwand des Gebäudes hinunterkletterte. Tehol stand am Rand des Daches und schaute ihr hinterher; als sie die Straße erreicht hatte, gestattete er es sich, die Augen zu verdrehen. Er drehte sich um und schritt auf sein Bett zu.
    Wobei er plötzlich Stimmen von unten hörte. Überraschte Ausrufe von Bagg, aber keine Warnung. Allerdings laut genug, um Tehol zu warnen – für den Fall, dass Shurq noch da gewesen wäre.
    Tehol seufzte. Ein paar Wochen zuvor war das Leben noch deutlich besser – einfacher – gewesen. Als er keine Pläne gemacht, keine Komplotte ausgeheckt, keine Ziele gehabt hatte. Als er – kurz gesagt – ohne jeden Sinn dahingelebt hatte. Eine leichte Bewegung hatte ausgereicht – und plötzlich wollten alle ihn treffen.
    Ein Knirschen von der Leiter, dann kam eine dunkle Gestalt in sein Blickfeld geklettert.
    Es dauerte einen Moment, bis Tehol sein Gegenüber erkannte, und er zog kurz die Brauen hoch, bevor er einen Schritt vortrat. »Nun, damit habe ich nicht gerechnet.«
    »Dein Diener schien sicher zu sein, dass du noch wach bist. Wie kommt das?«
    »Mein lieber Bruder, Baggs Begabungen sind wirklich außerordentlich.«
    Brys trat an das Bett heran und betrachtete es einen Augenblick. »Was ist, wenn es regnet?«
    »Dann bin ich leider gezwungen, mich in den Raum da unten zurückzuziehen. Um dort unter Baggs unaufhörlichem Schnarchen zu leiden.«
    »Hat dich das dazu getrieben, auf dem Dach zu schlafen?«
    Tehol lächelte, doch dann wurde ihm klar, dass es nicht sehr wahrscheinlich war, dass Brys dieses Lächeln in der Dunkelheit sehen konnte. Und daraufhin kam er zu dem Schluss, dass das auch besser so war. »Kämpe des Königs. Ich habe dir noch nicht einmal gratuliert. Also: Herzlichen Glückwunsch.«
    Brys rührte sich nicht. »Wie oft gehst du eigentlich in die Krypta? Gehst du überhaupt hin?«
    Tehol verschränkte die Arme und richtete den Blick auf den Kanal unter ihnen. Ein verwaschener Streifen reflektierten Sternenlichts, der durch die Stadt kroch. »Es ist Jahre her, Brys.«
    »Seit du zuletzt dort warst?«
    »Seit sie gestorben sind. Wir alle halten ihr Andenken auf ganz unterschiedliche Weise in Ehren. Die Familiengruft?« Er zuckte die Schultern. »Ein von steinernen Wänden umgebener, unterirdischer Raum, in dem sich nichts von Bedeutung befindet.«
    »Ich verstehe. Tehol, ich bin neugierig – wie hältst du denn eigentlich ihr Andenken in diesen Tagen in Ehren?«
    »Du hast keine Ahnung.«
    »Nein, das habe ich nicht.«
    Tehol rieb sich die Augen; erst jetzt merkte er, wie müde er eigentlich war. Zu denken, erwies sich als überaus kräftezehrend – er musste sich eingestehen, dass er anscheinend vollkommen aus der Übung war. Aber es ging natürlich nicht nur ums Denken. Das Gehirn tat auch noch andere Dinge, die sogar noch anstrengender waren. Das Wiedersehen mit Geschwistern, mit Verwandten, denen man sich schon lange entfremdet hatte, sorgte dafür, dass alte, blank polierte Rüstungen wieder angelegt wurden, dass wieder nach Waffen gegriffen wurde, dass alte Haltungen wieder angenommen wurden, von denen man eigentlich gedacht hatte, sie längst aufgegeben zu haben. Dabei hatten sie nur geschlummert. »Ist heute ein Festtag, Brys? Habe ich etwas verpasst? Wenn wir Vettern und Kusinen, Onkel und Tanten, Neffen und Nichten hätten, könnten wir uns versammeln und die immer gleichen alten, ausgetretenen Familienpfade beschreiten. Immer und immer wieder um die leeren Stühle herum, auf denen unsere Mutter und unser Vater einst gesessen haben. Wir könnten unsere Sprache zu etwas Unausgesprochenem machen und so eine andere Wahrheit nachahmen – dass die Toten durch ihr Schweigen sprechen und uns auf diese Weise niemals in Frieden lassen …«
    »Ich brauche

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