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SdG 08 - Kinder des Schattens

SdG 08 - Kinder des Schattens

Titel: SdG 08 - Kinder des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Ericson
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Gold, seinen tödlichen Fallstricken – und Ehre darin gesucht, Menschen zu retten. Und selbst wenn das fehlgeschlagen ist … kannst du dir ernsthaft vorstellen, Hull würde auch nur darüber nachdenken, sich umzubringen? Die Feigheit unseres Vaters war Verrat, Brys. Von der übelsten Sorte.«
    »Und was ist mit dir, Tehol? Welche Lektion lebst du jetzt?«
    »Der Unterschied zwischen mir und unserer Mutter ist der, dass ich keine Bürde trage. Ich habe keine Kinder. Und daher, Bruder, glaube ich, dass ich schließlich genau das erreichen werde, was sie trotz ihrer Liebe zu Vater nicht geschafft hat.«
    »Indem du dich in Lumpen kleidest und auf dem Dach schläfst?«
    »Unsere Erwartungen werden von dem geprägt, was wir wahrnehmen, Brys.« Er glaubte, ein schiefes Lächeln über das Gesicht seines Bruders huschen zu sehen.
    »Immerhin hat sich Gerun Eberict nicht so täuschen lassen, wie du vielleicht glaubst, Tehol. Wie es – wie ich zugeben muss – bei mir der Fall war.«
    »Bis heute Nacht?«
    »Ich nehme es an.«
    »Geh nach Hause, Brys«, sagte Tehol. »Seren Pedac steht hinter Hull, und das wird sie auch weiterhin tun, ganz egal, wie wenig sie mit dem einverstanden ist, was er vorhat. Sie kann nicht anders. Sogar Genies haben ihre Schwächen.«
    Noch ein Lächeln. »Ist das bei dir auch so, Tehol?«
    »Nun, ich habe ein bisschen verallgemeinert, um dich zu beruhigen. Mich selbst schließe ich in meine Verallgemeinerungen nie ein. Ich bin immer die Ausnahme von der Regel.«
    »Und wie schaffst du das?«
    »Nun, natürlich, indem ich die Regeln aufstelle. Das ist mein ganz besonderes Spiel, Bruder.«
    »Beim Abtrünnigen, manchmal hasse ich dich, Tehol. Hör zu. Unterschätze Gerun Eberict nicht …«
    »Ich werde mich um Gerun kümmern. Also – vermutlich ist man dir hierher gefolgt?«
    »Daran habe ich überhaupt nicht gedacht. Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Glaubst du, dass man unsere Stimmen unten hören kann?«
    »Nicht durch die Schutzzauber, die Bagg jede Nacht wirkt, bevor er sich schlafen legt.«
    »Bagg?«
    Tehol tätschelte seinem Bruder die Schulter und führte ihn zur Luke. »Er ist nur meistens nutzlos. Wir spüren immer wieder verborgene Begabungen auf, eine Übung, die für nicht endende Erheiterung sorgt. Zumindest bei mir.«
    »Hat er nicht unsere Eltern einbalsamiert? Der Name …«
    »Ja, das war Bagg. Damals bin ich ihm zum ersten Mal begegnet, und sein Mangel an jeglicher Begabung ist mir sofort ins Auge gefallen. Der Eingang kann nur von einer einzigen Stelle aus heimlich beobachtet werden, Brys. Normalerweise kann man sich dieser Stelle nicht nähern, ohne entdeckt zu werden. Aber dann gäbe es eine Verfolgungsjagd, und das ist eine ziemlich schmutzige Sache und kann zudem leicht schief gehen. Du wirst den Mann töten müssen – er gehört zu Gerun, vermute ich. Aber tue es nicht in einem Duell. Sondern unverzüglich – wie eine Hinrichtung. Schaffst du das, Brys?«
    »Natürlich. Aber du hast gesagt, dass man sich der Stelle nicht nähern kann, ohne …«
    »Oh, nun, ich habe vergessen, unseren Tunnel zu erwähnen.«
    Brys verharrte einen Augenblick bei der Luke. »Du hast einen Tunnel.«
    »Bagg zu beschäftigen, ist eine immerwährende Aufgabe.«
     
    Fünf Schritt von dem Bereich der Wand des Lagerhauses entfernt, der im Schatten lag und die einzige Möglichkeit bot, sich mit freier Sicht auf den Eingang von Tehols Haus zu verbergen, blieb Brys Beddict stehen. Seine Augen hatten sich gut an die Dunkelheit gewöhnt, und er konnte sehen, dass niemand da war.
    Aber er konnte Blut riechen. Metallisch und dickflüssig.
    Mit gezogenem Schwert ging er näher heran.
    Kein Mensch konnte so viel Blut verlieren und noch am Leben sein. Es bildete eine schwarze Lache auf den Pflastersteinen, schien nur zögernd in die Spalten zwischen den festen Steinen zu sickern. Eine Kehle war durchtrennt worden, und man hatte den Leichnam ausbluten lassen, ehe er weggezogen worden war. Die Schleifspur war deutlich zu erkennen – sie zog sich an der Wand des Warenhauses entlang, um die Ecke herum und geriet damit außer Sicht.
    Der Finadd dachte darüber nach, der Spur zu folgen.
    Doch als er einen einzelnen Fußabdruck sah, der sich als getrockneter Staub auf dem Staub abzeichnete, änderte er seine Meinung.
    Der Fußabdruck stammte von einem Kind. Einem barfüßigen Kind. Das den toten Mann weggezerrt hatte.
    Jede Stadt hatte ihre Dunkelheit, ihre Bewohner, die nur bei Nacht umherschlichen und ihr

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