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SdG 09 - Gezeiten der Nacht

SdG 09 - Gezeiten der Nacht

Titel: SdG 09 - Gezeiten der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Stadt zerschmettert hat?«
    »Sieben.«
    Triumphierend drehte Udinaas sich zu Federhexe um.
    »Sieben«, sagte der Junge noch einmal. »Sieben Wochen. Mutter hat immer gesagt, dass ich zu schnell wachse. Ich muss wohl ziemlich groß für mein Alter sein.«
    Federhexes Lächeln war auf merkwürdige Weise gebrochen.
    Der Bentract-Krieger sprach erneut.
    Der Junge nickte und sagte: »Ulshun Pral sagt, er hat eine Frage, die er dir stellen will.«
    »Nur zu«, sagte Udinaas dumpf. Er war wie betäubt.
    »Rae’d. Veb entara tog’rudd n’lan n’vis thal? List vah olar n’lan? Ste shabyn?«
    »Die Frauen wollen wissen, ob ich sie fressen werde, wenn ich älter werde. Sie wollen wissen, was Drachen fressen. Sie wollen wissen, ob sie Angst haben müssen. Ich weiß nicht, was das alles bedeuten soll.«
    »Wie können sie gefressen werden? Sie –« Udinaas hielt inne. Hol mich der Abtrünnige, sie wissen nicht, dass sie tot sind! »Sag ihnen, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchen, Fund.«
    »Ki’bri arasteshabyn bri por’tol tun logdara kul absi.«
    »Ulshun Pral sagt, sie haben ihr versprochen, sich um mich zu kümmern, bis sie wiederkommt.«
    »Entara tog’rudd av?«
    Der Junge schüttelte den Kopf und antwortete dem Krieger in seiner Sprache.
    »Was hat er gefragt?«, wollte Udinaas wissen.
    »Ulshun Pral wollte wissen, ob du mein Vater bist. Ich habe ihm gesagt, dass mein Vater tot ist. Ich habe ihm gesagt, dass du nicht mein Vater bist. Mein Vater war Araq Elalle. Er ist gestorben.«
    Auf Letherii sagte Federhexe: »Sag es ihm, Udinaas.«
    »Nein. Es gibt nichts zu sagen.«
    »Willst du ihn etwa dieser … Frau überlassen?«
    Er drehte sich um und blickte sie an. »Und was soll ich deiner Meinung nach tun? Ihn mitnehmen? Wir sind doch noch nicht einmal wirklich hier!«
    »T’un havra’ad eventara. T’un veb vol’raele bri rea han d En’ev?«
    »Ulshun Pral versteht dich jetzt«, sagte der Junge. »Ein bisschen. Er sagt, hier gibt es Löcher und ob ihr da hingehen wollt?«
    »Löcher?«, fragte Udinaas.
    Federhexe schnaubte. »Tore. Er meint Tore. Ich habe sie gespürt. Hier gibt es Tore, Udinaas. Mächtige Tore.«
    »In Ordnung«, sagte Udinaas zu Fund.
    »Ich mag den Ort nicht«, sagte der Junge. »Aber ich werde mit euch gehen. Es ist nicht weit.«
    Sie gingen zum Eingang einer der größeren Höhlen. Traten in die kühle Dunkelheit. Der unebene Fußboden führte etwa zwanzig Schritt nach oben und begann sich dann wieder zu senken. Zu Höhlen hinunter, deren Wände mit Abbildungen in rötlichen und gelblichen Ockertönen übersät waren. Schwarze Umrisse zeigten alte Tiere, die standen oder rannten; einige – aus denen Speere ragten – stürzten auch. Weiter drinnen kam eine kleinere Höhle, mit schwarzen, strichähnlichen Zeichnungen an den Wänden und der Decke – der mühsame Versuch der T’lan Imass, sich selbst zu malen. Blüten aus roter Farbe umrandeten geisterhafte Handabdrücke. Dann wurde der Gang schmaler und begann allmählich wieder anzusteigen. Ein Stück voraus befand sich ein senkrechter Riss, durch den Licht hereindrang – ein Licht voller fließender Farben, als brenne jenseits der Spalte eine unnatürliche Flamme.
    Sie kamen auf einen unebenen, aber größtenteils flachen Streifen aus geschwärztem Felsgestein. Kleine Felsbrocken, die so aufgestellt waren, dass sie aneinander stießen, bildeten eine Straße, die von der Höhlenmündung aus als einwärts gewendelte Spirale auf die Mitte der Lichtung zuführte. Dahinter schimmerte der Himmel in wild umeinander herumwirbelnden Farben, als wären Regenbögen zerschmettert worden. Ein Steinhaufen aus flachen Steinen beherrschte das Zentrum der Spirale: eine grob und unbeholfen geformte Gestalt, die auf zwei Beinen aus aufeinander gestapelten Steinen stand; ein einzelner, breiter Stein bildete die Hüften, den Rumpf drei weitere, die Arme jeweils ein einzelner, rechteckiger Stein, der aus den Seiten hervorragte, den Kopf schließlich ein einzelner, länglicher Felsklotz, der mit Flechten bewachsen war. Die plumpe Figur stand vor einem niedrigen, turmähnlichen Bauwerk mit mindestens zwölf Seiten. Die Oberflächen waren glatt, blank wie die Facetten eines natürlichen Kristalls. Doch unter den Oberflächen flackerte Licht in zahllosen Farben, und alle Flächen wanden sich in einer einwärts gewendelten Spirale einem dunklen Loch zu.
    Udinaas konnte einen Druck in der Luft spüren, als hielten sich angespannte Kräfte gegenseitig

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